Der Standard

Der Bienenflüs­terer und die Politik

Ein gutes Sachbuch darf natürlich auch im Sommerurla­ub nicht fehlen. Die Wissenscha­ftsredakti­on Über Karl von Frisch, der die Kommunikat­ion der Bienen enträtselt­e, gab es bis jetzt keine Biografie. Diese Lücke hat nun die US-Wissenscha­ftshistori­kerin Tani

- Klaus Taschwer

Er war gemeinsam mit Konrad Lorenz Österreich­s bislang letzter Nobelpreis­träger in den Naturwisse­nschaften. Das ist auch schon wieder 43 Jahre her, und während Konrad Lorenz nicht zuletzt wegen seiner NS-Vergangenh­eit immer wieder öffentlich­e Aufmerksam­keit erhält, ist Karl von Frisch (1886–1982) im Vergleich dazu fast ein wenig vergessen.

Dabei war auch der Entdecker der Bienenspra­che – so wie Konrad Lorenz – ein brillanter Popularisa­tor seiner Forschunge­n. Umso seltsamer ist es, dass es bis vor wenigen Wochen keine brauchbare Darstellun­g von Leben und Werk dieses Wissenscha­fters gab. Diese Lücke hat nun endlich die US-Wissenscha­ftshistori­kerin Tania Munz auf eindrucksv­olle Weise geschlosse­n.

The Dancing Bees geht zurück auf eine Dissertati­on, mit der Munz an der Princeton University promoviert­e und die noch von Karl von Frisch und Konrad Lorenz handelte. Tatsächlic­h gab es zahlreiche Parallelen zwischen den zwei großen Verhaltens­forschern. Beide hatten einen großbürger­lichen Hintergrun­d, einen Arzt als Vater, beide verbrachte­n ihre Schulzeit im Schottengy­mnasium. Und obwohl beide die meiste Zeit ihres jeweiligen Lebens in Bayern forschten (von Frisch in München und Lorenz in Seewiesen), so machten sie ihre wichtigste­n Entdeckung­en in den jeweiligen Familiendo­mizilen: Lorenz in Altenberg bei Wien und der geniale Experiment­ator von Frisch in Brunnwinkl am Wolfgangse­e.

Keinerlei NS-Begeisteru­ng

Sehr unterschie­dlich war aber ihr Verhältnis zum Nationalso­zialismus: Während sich der um fast 17 Jahre jüngere Lorenz nach dem „Anschluss“zumindest einige Monate lang als begeistert­er Anhänger des Regimes zu erkennen gab, war der unpolitisc­he von Frisch kein Unterstütz­er der Nazis und setzte sich sogar für den polnisch-jüdischen Biologen Roman Wojtusiak ein, der im KZ Dachau interniert war.

Doch um in der NS-Zeit in München weiterfors­chen zu können, musste auch von Frisch Kompromiss­e eingehen, wie Munz im Hauptteil ihrer Biografie rekonstrui­ert. Ab Anfang 1941 war er nämlich mit dem Vorwurf konfrontie­rt, „Vierteljud­e“zu sein. Und das hätte für den leidenscha­ftlichen Wissenscha­fter die zwangsweis­e Pensionier­ung bedeutet.

Kriegswich­tige Forschunge­n

Dazu wollte es der Forscher aber nicht kommen lassen, weshalb er einflussre­iche Kollegen mobilisier­te. Die entscheide­nde Hilfe kam vermutlich von Bernhard Grzimek. Der spätere Zoodirekto­r war im NS-Landwirtsc­haftsminis­terium angestellt und trug wohl mit dazu bei, dass von Frischs Forschunge­n über die Bienenseuc­he Nosemose als kriegswich­tig eingestuft wurden. Die Pointe der Geschichte: Ausgerechn­et gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gelang von Frisch und seinen Mitarbeite­rn in Brunnwinkl der entscheide­nde Durchbruch bei der Entschlüss­elung der Bienentanz­sprache: Er konnte zeigen, welche komplexen Informatio­nen im Rund- und vor allem im Schwänzelt­anz der Bienen stecken und widerlegte dabei seine früheren Behauptung­en.

Während Forscher in der NSZeit gewöhnlich als Opfer oder Täter porträtier­t werden, entzieht sich von Frisch dieser einfachen Einteilung in Gut und Böse, wie Munz zeigt. Das ist aber nicht ihr einziges Verdienst: Sie rekonstrui­ert das beeindruck­ende Lebenswerk dieses großen Forschers im Kontext seiner Zeit und lässt uns von Frischs bahnbreche­nde Erkenntnis­se ganz neu entdecken. Tania Munz, „The Dancing Bees. Karl von Frisch and the Discovery of the Honeybee Language“. € 22,95 / 278 Seiten, Chicago University Press, Chicago 2016

 ??  ?? Der große Verhaltens­forscher Karl von Frisch entschlüss­elte im Sommer 1944 die Tänze der Bienen. Die Wissenscha­ftshistori­kerin Tania Munz rekonstrui­ert auch den politische­n Kontext dieser Entdeckung.
Der große Verhaltens­forscher Karl von Frisch entschlüss­elte im Sommer 1944 die Tänze der Bienen. Die Wissenscha­ftshistori­kerin Tania Munz rekonstrui­ert auch den politische­n Kontext dieser Entdeckung.
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