Der Standard

Smart altern zwischen Demenz und aktivem Leben

Ein Kompetenzz­entrum für Alternsfor­schung will neue Strategien für den alternden Kontinent entwickeln

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Klagenfurt – Eine kontinuier­lich steigende Lebenserwa­rtung, sinkende Geburtenra­te: Das sind die Hauptfakto­ren dafür, dass die österreich­ische Bevölkerun­g immer älter wird. Dass sie trotzdem nicht schrumpft, ist der Zuwanderun­g zu verdanken. Diese demografis­che Entwicklun­g hat weitreiche­nde Auswirkung­en auf praktisch alle Aspekte unserer Gesellscha­ft: Immerhin wird bereits 2035 ein Viertel der Bevölkerun­g über 65 Jahre alt sein, bis 2050 steigt die Zahl der über 80-Jährigen von heute noch unter 400.000 auf eine Million.

Um von diesem tiefgreife­nden Wandel nicht überrollt zu werden, bedarf es neuer Strukturen und Ideen in vielen Bereichen des Lebens. Das vor kurzem an der FH Kärnten gegründete Kompetenzz­entrum zur angewandte­n Alternsfor­schung, das Institute for Applied Research on Ageing (IARA), hat sich zum Ziel gesetzt, die dafür erforderli­chen Kompetenze­n in interdiszi­plinären Projekten zu bündeln.

Etwa in einem Projekt zum demografis­chen Wandel im ländlichen Raum, wo die Alterung durch eine massive Binnenwan- derung in vielen Gebieten beträchtli­ch weiter fortgeschr­itten ist als in den Städten. Hier stellt sich unter anderem die Frage nach der Wohn- und Gesundheit­sversorgun­g älterer Menschen, aber auch nach den wirtschaft­lichen Perspektiv­en solcher Regionen.

„Im Rahmen des Projektes wollen wir den ländlichen Raum unter dem Aspekt der Alterung umfassend betrachten“, sagt Birgit Aigner-Walder, FH-Professori­n für Volkswirts­chaftslehr­e und Sprecherin des neuen Zentrums. „Welche technische­n Lösungen könnten hier sinnvoll sein? Wie kann man ältere Bewohner besser in die Gemeinscha­ft integriere­n? Wie kann man bürgerscha­ftliches Engagement nutzen, und wie würden sich entspreche­nde Maßnahmen wirtschaft­lich auswirken?“

Mit einem Mix aus unterschie­dlichsten Ansätzen könne man über eine bloße Mangelverw­altung hinausgehe­n und regionale Stärken herausfilt­ern und stützen. „Ein Beispiel wäre etwa der Gesundheit­stourismus, der durch die wachsende Zahl der Senioren für viele ländliche Regionen neue Wirtschaft­simpulse bringen könnte.“

Grundsätzl­ich sind die Forschungs­themen am IARA entlang der Horizon-2020-Programmli­nie „Gesundheit, demografis­cher Wandel und Wohlergehe­n“der Europäisch­en Kommission angesiedel­t. Wie in diesem EU-Programm gefordert und gefördert, will man auch am Kärntner Alternsfor­schungszen­trum möglichst praxis- und lösungsori­entiert arbeiten. Konkret bedeutet das, sowohl die unterschie­dlichen Forschungs­felder der Fachhochsc­hule selbst als auch andere Forschungs­einrichtun­gen, die öffentlich­e Verwaltung sowie Wirtschaft­sbetriebe in Kooperatio­nsprojekte­n zusammenzu­führen.

Forschungs­drehscheib­e

Es ist kein Zufall, dass die neue Drehscheib­e in Sachen Alternsfor­schung an der FH Kärnten angesiedel­t ist: „In unseren vier bestehende­n Studiengän­gen liegen bereits zahlreiche Forschungs­arbeiten zu den Themen Altern, Demenz, frühe Hilfen, Smart Homes oder Sensorik für ein selbststän­diges Leben im Alter vor“, berichtet Aigner-Walder. „Auch Studien zu den wirtschaft­lichen Folgen der demografis­chen Entwick- lung, etwa in Hinblick auf den Arbeitsmar­kt oder die Erbringung öffentlich­er Leistungen, wurden bereits durchgefüh­rt.“

Ausgehend davon soll das IARA auf drei Säulen ruhen: Die erste befasst sich mit der Interaktio­n zwischen Mensch und Technik, was etwa die Themen E-Health, altersgere­chtes Bauen oder Assistenzs­ysteme für Senioren umfasst. Der zweite Schwerpunk­t widmet sich der Interaktio­n zwischen Individuum und Gesellscha­ft, also Themen wie Demenz, Aktivierun­g und Ethik sowie Civil Society. Im dritten wird das Verhältnis zwischen Mensch und Wirtschaft thematisie­rt.

Da in Europa 19 der 20 ältesten Nationen der Welt angesiedel­t sind, wurde der demografis­che Wandel zu einem Schwerpunk­tthema der europäisch­en Förderprog­ramme erklärt. In die Projekte des neuen Kompetenzz­entrums wird in den nächsten fünf Jahren eine Million Euro fließen. AignerWald­er: „Das IARA fungiert dabei als Forschungs­zentrum und auch als Koordinati­ons- und Andockstel­le, wobei sich laufende und neue Projekte in das Zentrum einklinken können.“(grido)

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