„Ich will den ORF auch verteidigen: Er bemüht sich eh“
Walter Gröbchen, Journalist und Musikverleger der Agentur Monkey, spricht über den ORF vor der Wahl und die Förderung österreichischer Bands.
INTERVIEW: STANDARD: Ein Tag Programmdirektor im ORF – Ihre erste Amtshandlung? Gröbchen: Eine Rede, in der ich einen „Krawattenerlass 2.0“und einen „Schnulzenerlass 2.0“postuliere. Ersterer, um der Traditions- und Hierarchiefixiertheit zu entsagen. Letzterer als Impuls, die „Sachzwänge“, das kulturelle Selbstverständnis und die inhalt- liche Programmatik eines ORF anno 2016 radikal neu zu denken.
STANDARD: Die Musikquote im Radio ist Ihnen ein Anliegen. Hat der ORF ausreichend nachgebessert? Gröbchen: Nein. Wer unter Nachbesserung nur Quantität versteht und nicht Qualität, Vielfalt, journalistische Aufmerksamkeit, Dialogfähigkeit und ehrliches Interes- se an der Kreativszene und Musikwirtschaft, schwindelt sich um das eigentliche Anliegen herum.
STANDARD: Gibt es abseits der Quote Möglichkeiten, wie der ORF Österreichs Musiker fördern kann? Gröbchen: Sicher doch. Ich will den ORF auch verteidigen: Er bemüht sich eh. Per Beteiligung am österreichischen Musikfonds, der Übertragung des Amadeus samt Features im Vorfeld, mit guten Onlinestorys, in der ZiB 24, im Kulturmontag, auf ORF 3. Mir erscheint das Beiwerk für Image und Klima wichtig; die Erfüllung des Programmauftrags ist essenziell. Für Musiker bedeutet das vor allem Airplay, Airplay, Airplay.
STANDARD: Wie zufrieden sind Sie mit dem Radioangebot des ORF? Gröbchen: Eigentlich sehr. Vor allem im Kontrast zum Angebot der Privatsender, die über weite Strecken nur Ö3 kopieren. Dass Ö3 allerdings auch selbst die Kopisten kopiert, ist eine bittere Fußnote.
STANDARD: Sind Sie mit dem Musikangebot von FM4 zufrieden? Gröbchen: Dass FM4 unverzichtbar ist für eine moderne, weltoffene, pluralistische Medienlandschaft ist evident. Verbesserungspotenzial gibt es immer. Toll fände ich ein grenzüberschreitendes Jugendprogramm zum Beispiel gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk, eventuell im Web.
STANDARD: Möchten Sie ein Musikmagazin im Programm des ORF? Gröbchen: Für Programmleute gilt derlei als „Quotengift“; für mich ist es eine Frage des Zugangs und Gestaltungswillens – als emotionales Grundnahrungsmittel hat Musik ja Platz im ORF. Warum man freiwillig auf Leuchtfeuer der Popkultur verzichtet, kann ich mir nur mit Verzagtheit in den unteren oder Borniertheit in den oberen Etagen erklären. Und dann wäre da noch das ewige Killerargument Geldmangel. STANDARD: Macht es der ORF Musikern schwer, in der heimischen Musiklandschaft Fuß zu fassen? Gröbchen: Nein. Aber er könnte es – sich und anderen – leichter machen, ein großes Publikum zu erreichen und zu begeistern.
STANDARD: Welche Ideen und Wünsche haben Sie, um den ORF in Sachen Musik zu verbessern? Gröbchen: Es ist ja nicht so, dass ich meine Papp’n nicht aufkrieg – manche Vorschläge werden sogar wahrgenommen. Die von mir mitgestaltete Reihe Live@RKH im Radiokulturhaus läuft erfolgreich seit über zehn Jahren. Unter Wrabetz wurde mit einem automatisierten Kamerasystem im großen Sendesaal ein Schritt in die multimediale Zukunft getan – wenn ORF 3 anspringt, könnte mit überschaubaren Mitteln überdimensionale Sinnstiftung entstehen.
STANDARD: Wünsche an den neuen Generaldirektor? Gröbchen: Nur die besten.
WALTER GRÖBCHEN (54) ist Geschäftsführer der 2000 gegründeten Musikagentur Monkey Musik und ehemaliger Redakteur, Beitragsgestalter und Moderator bei Ö3 und Ö1. pLangfassung: derStandard.at/Etat