Leben mit der Vergangenheit
Eigentlich darf man von einem Politiker mehr Geschichtsbewusstsein erwarten. Wenn Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) wiederholt den Abriss des Hitler-Geburtshauses fordert, so schreibt er damit nur ein weiteres Kapitel der unendlich verkorksten Geschichte österreichischer Vergangenheitsbewältigung. Längst sollte es auch an der Spitze des Innenministeriums angekommen sein, dass man die eigene Geschichte – und sei sie auch noch so dunkel – nicht mit der Planierraupe ungeschehen machen kann.
Mit der nun möglichen Enteignung, ein konsequenter, aber auch überfälliger Schritt, gilt es nun nach Jahren des Stillstands, die Chancen des neuen Handlungsspielraums zu erkennen und zu nutzen. Nicht die Abrissbirne bringt die Lösung, sondern nur ein adäquates Nutzungskonzept. Belastete Orte müssen mit Leben erfüllt werden, dann werden sie auch nicht zu Pilgerstätten für Ewiggestrige. Es braucht kein Museum, es muss endlich der Alltag in das kleine gelbe Haus einziehen.
Mit dem Prinzip „Augen zu und abreißen“ist man schon zu oft gescheitert. Hitlers Berghof am Obersalzberg etwa wurde 1952 gesprengt, schnell wachsendes Gehölz sollte alles vergessen machen. Doch de facto sind die letzten Steine im Wald heute mehr denn je ein Pilgerort für Nazis.
Letztlich bleibt nur der Weg, sich der Geschichte zu stellen. Schonungslos – ohne Hysterie und Baggerschaufel.