Wer den hybriden Abend „Fla.Co.Men“von Israel Galván besucht, sollte klassische Erwartungen an den berühmtesten aller spanischen Tänze besser zu Hause lassen – und dann eine neue Welt entdecken.
Wien – Dafür, dass es im spanischen Wortschatz einen eigenen Begriff für den Flamenco-Tänzer – „el bailaor“– braucht, ist Israel Galván der lebende Beweis. Mit einer kleinen Silbenverschiebung wird er selbst zur Verkörperung des Flamenco und klingt schon beinahe nach Superheld: Unter dem Titel Fla.Co.Men gastiert der andalusische Star-Tänzer im Wiener Volkstheater.
Mit Flamenco bringt der mitteleuropäische Sommertourist wohl als Erstes eine spanische Folkloretanzart in Verbindung. Schnell assoziiert man dann weiter in Richtung Stierkampf, Tapas, Sangria.
Doch schon ein Blick auf die Begriffsgeschichte zeigt ein durchwachsenes Bild: Unter „Flamencos“versteht man in Spanien sowohl Flamingos als auch andalusische Roma. Letztere sind auch die tatsächlichen Urheber des vermeintlich traditionell spanischen Flamenco.
Auch Israel Galváns Herkunft geht auf die sogenannten „Gita- nos“zurück: Roma, die einst orientalische Musizierweisen aus der Zeit ihres Nomadentums mit andalusischer Volksmusik zu verbinden wussten.
Die nächste Ernüchterung des hiesigen Alltagswissens folgt: Fla- menco ist nicht nur ein Tanzstil, sondern bezeichnet eine Form von Gesang, begleitet von Gitarren und vor allem körperunterstützten Tönen. Soll heißen: Hände klatschen, Finger schnalzen, klopfen. Flamencogesänge erinnern oft nicht nur an feurige Volksmusik, sondern auch an orientalische Klagelieder: Für die lange verfolgten Gitanos waren diese auch immer Ventile von Gefühl und Leid.
Die noch gegenwärtigen gesellschaftlichen Spannungen um die Volksgruppe der Roma hat Galván mit der Empörung um sein Stück Lo Real im Jahr 2013 besiegelt. Bei der tänzerischen Darstellung der Roma-Verfolgung während des Nationalsozialismus verließ ein Teil der Madrider Besucher vorzeitig und lautstark den Saal, der überwiegende Rest feierte den Tänzer als Avantgarde-Künstler.
Gepriesener Revolucionario
An offizieller positiver Wahrnehmung sollte es Galván aber dennoch nicht fehlen. Die Bandbreite der ihm verliehenen Auszeichnungen ist groß. Neben dem New Yorker Bessie Award hat er zahlreiche nationale Ehrungen in seinem Heimatland erhalten.
Er gilt als Revolutionär des Flamenco. Klassische Erwartungen an diesen Flamenco-Abend sollten aber besser abgestellt werden. Von sechs Musikern begleitet, wird Galváns Körper zum Gegenüber der Instrumente und im Rhythmus getrieben oder gestoppt und befeuert.
Trotz aller Leidenschaft ist der Flamenco-Tanzstil technisch stringent. Er kennt mehr als 70 Bewegungsformen, die von Galván neu interpretiert werden. Vielleicht darf man ihn sich also weniger als Superhelden, sondern eher als Koch vorstellen, der mit den Zutaten seines Lieblingsgerichts spielt. Wie die neue Rezeptur aussieht, wird er im Wiener Volkstheater zeigen – und dabei den Flamenco als „Mischkultur“Erbe offenbaren. >> „Fla.Co.Men“, Volkstheater, 20. + 22. 7., 21.00