Die Matratze oder ein unvollendetes Ich
Das Festival bespielt diesmal eine ganze Etage des Leopold-Museums. Am Dienstag sind dort eine Performance von Michikazu Matsune und Videos von Ian Kaler zu sehen, ab Mittwoch Arbeiten von Tino Sehgal.
Wien – Die Matratze kann als schönes Symbol für etwas gesehen werden, das Menschen verbindet. Zum Beispiel im Stück Mattress Pieces des Choreografen Michikazu Matsune, das demnächst im Leopold-Museum uraufgeführt wird. Dort bespielt das Impulstanz-Festival in diesem Jahr eine ganze Etage.
Als „Bühne für Bilder und Geschichten über Intimität, Träume und Tod“versteht Matsune sein zentrales Objekt, mit dem vier Performerinnen und Performer auf unterschiedlichste Weisen interagieren.
Dabei geht es um träumevolles Aufwachen, aber – mit einem Gähnkonzert – auch ums Wegdösen. Man bringt die Matratze zum Tanzen oder erkundet des Menschen unbewusste Regungen im Schlaf.
Das Museum ist hier als Aufführungsort insofern entscheidend, als die Mattress Pieces auch auf Referenzen aus der Geschichte der bildenden Kunst bezogen sind, derer es ja reichlich gibt. Andy Warhols Video Sleep (1963), die Beobachtung eines Schlafenden, kann einem zum Beispiel einfallen; aber auch jenes mit Tschickstummeln oder Kondomen übersäte Bett, das Tracey Emin mit unzählbaren Liebhabern geteilt haben will ( My Bed, 1998). Laut Matsune passt Mattress Pieces außer- dem deshalb ins Museum, weil die gemusterten Matratzenoberflächen Malereien ähnelten.
Um Intimes geht es indes auch in Matsunes Stück Goodbye, das im Schauspielhaus gezeigt wird (14. 8., 18.00): Im Zentrum stehen (echte) Abschiedsbriefe aller Art: solche von Selbstmördern, aber etwa auch einer, den eine Krebspatientin an ihre Haare schrieb.
Körperlicher Lernprozess
Am Dienstag ist im LeopoldMuseum weiters die Videoinstallation Me becoming myself (unfinished) von Ian Kaler zu sehen. Der österreichische Choreograf hat sich dafür einen Sprechtrainer geholt, um die Arbeit an der Stim- me als „körperlichen Lernprozess“zu erforschen. Die Installation On Orientations | Shifting the burden, die Kaler mit der Berliner Videokünstlerin Anne Quirynen entwickelte, lotet das Körperlichkeitspotenzial einer bloß projizierten Figur aus.
Ab Mittwoch sind im LeopoldMuseum drei Arbeiten des Künstler-Choreografen Tino Sehgal zu sehen, der vor allem für seine Koketterie mit der Immaterialität von Kunstwerken berühmt ist.
Er unterwandert den Werkbegriff, indem er „Situationen“entwirft, die oft Kunstbetrachter einbeziehen. Gezeigt werden Kiss (2002), das 2013 mit dem Goldenen Löwen der Biennale Venedig ausgezeichnete Yet Untitled und Instead of allowing some thing to rise up to your face dancing bruce and dan and other things (2000).
Weitere interdisziplinäre Erlebnisse verheißt die Performance Sibylle des Portugiesen Romeu Runa in der aktuellen Ausstellung Berlinde De Bruyckeres im Leopold Museum. Außerdem dort zu sehen: Georg Blaschkes Fluid Theatre und die Musemsversion von Xavier Le Roys Untitled. >> „Mattress Pieces“, 19. 7., 20.00, 21. 7., 18.00 >> Ian Kaler, Videoinstallationen, Eröffnung 19. 7., 19.00; 20. 7. – 14. 8. tgl. 10.00–18.00, Do. bis 21.00 >> Tino Sehgal, 20. 7. – 14. 8., tgl. 10.00–18.00, Do. bis 21.00