Türkei drohen Kapitalabflüsse in Milliardenhöhe
Nach dem gescheiterten Militärputsch und etlichen Anschlägen sprechen Großinvestoren von gestiegenen Risiken. Als Folge könnten etliche Milliarden Dollar an Investmentkapital aus der Türkei abgezogen werden – mit negativen Folgen für Inflation und Wachstum.
London/Istanbul – Noch bis vor einigen Wochen konnte die Türkei mit einer florierenden Wirtschaft und hohen Auslandsinvestitionen glänzen. Doch der gescheiterte Putsch und Sorgen vor einer Alleinherrschaft werden nach Einschätzung von Experten ihre Spuren hinterlassen. Die Unsicherheit hat sich schon nach den Anschlägen in Istanbul auf den Flughafen und auf Touristen erhöht.
Investoren sprechen deshalb von gestiegenen Risiken. In der Folge droht der Türkei ein Abfluss ausländischer Investitionen von hunderten Milliarden Dollar. Seit Ende 2003 investierten dem Institut of International Finance zufolge Anleger mehr als 150 Mrd. Dollar (136,2 Mrd. Euro) in türkische Aktien- und Anleihenmärkte. „Das Risiko einer Kapitalflucht bleibt bestehen, bis die Maßnahmen, die während des Ausnahmezustands ergriffen wurden, klar offengelegt werden“, sagt Özlem Derici, Chefvolkswirt beim Fi- nanzdienstleister Deniz Investment in Istanbul.
Anleger fürchten Erdogans Reaktion auf den gescheiterten Militärputsch. Seitdem wurden in der Türkei rund 60.000 Soldaten, Polizisten, Beamte und Lehrer suspendiert oder festgenommen. Mit dem am Mittwochabend verhängten Ausnahmezustand kann Erdogan sogar per Dekret regieren. Grundrechte und Freiheiten können eingeschränkt oder aufgehoben werden.
Nun überdenken internationale Kapitalgeber ihr Engagement in der Türkei. Bei einem Kapitalabfluss wird auch die türkische Währung Lira unter die Räder kommen. Der Preisauftrieb dürfte anhalten und das Wirtschaftswachstum leiden. (Reuters)