Der Standard

Der IS erreicht Kabul

- Gudrun Harrer

Angesichts der dichten Nachrichte­nlage ist das Treffen der Anti-IS-Koalition vergangene Woche in Washington medial etwas untergegan­gen. Vertreter dutzender Länder und Institutio­nen hörten US-Außenminis­ter John Kerry die Erfolge der Allianz gegen den „Islamische­n Staat“preisen: Der IS hat fünfzig Prozent seines Territoriu­ms im Irak verloren, zwanzig Prozent in Syrien, er verfügt über weniger Einkommen und lockt weniger Rekruten an. Die Utopie eines „Kalifats“als nicht nur geistige, sondern physische jihadistis­che Heimat ist beschädigt.

Kerry warnte aber auch davor, einen neuen IS zu unterschät­zen. Ein Netzwerk ist noch schwierige­r zu bekämpfen als ein Pseudostaa­t. Wie wandelbar der IS ist, zeigte sich bereits zwei Tage nach dem Washington­er Treffen: Die afghanisch­e Hauptstadt Kabul, an Terrorismu­s wahrlich gewöhnt, wurde am Samstag erstmals Schauplatz eines ISGroßatte­ntats mit achtzig schiitisch­en Toten.

Bisher hielt man das Auftreten des IS in Afghanista­n für eine Folge der Grabenkämp­fe innerhalb der Taliban – idealerwei­se mit dem Nebeneffek­t einer möglichen Schwächung aller – und auf die östliche Provinz Nangarhar beschränkt. Dort ist eine US-luftgestüt­zte Offensive der afghanisch­en Armee gegen die IS-Präsenz im Gange. Sie hat offenbar den Nebeneffek­t, dass die Unterstütz­ung der lokalen Bevölkerun­g für den IS wächst – was ihm die Wege nach Kabul öffnet.

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