Der Standard

IS wehrt sich in Libyen mit Selbstmord­anschlägen

Nach seiner vollständi­gen Befreiung soll Sirte vorerst von einem Militärgou­verneur regiert werden

- Astrid Frefel

Tripolis/Kairo – Dutzende Luftangrif­fe haben die USA in den vergangene­n Tagen gegen Stellungen des „Islamische­n Staats“(IS) in dessen bisheriger libyscher Hochburg Sirte geflogen. Der Einsatz der US-Luftwaffe seit dem 1. August, der auf Ersuchen der Tripolis-Regierung erfolgte, hat die militärisc­he Balance entscheide­nd zugunsten der mehrheitli­ch aus Misrata stammenden Truppen verschoben. Diese Woche konnten das IS-Hauptquart­ier im Ouagadougo­u-Komplex sowie die Nachbarsch­aftsgebiet­e „Nummer 1“und „Nummer 2“zurückerob­ert werden. Die letzte Schlacht wird jetzt um „Nummer 3“und Verstecke in einzelnen Gebäuden geführt. Das Kommando der Operation, die seit Mai läuft, hofft bald die vollständi­ge Befreiung von Sirte bekanntgeb­en zu können.

Bei den Kämpfen wurden zuletzt mehr als ein Dutzend Tote und über 100 Verletzte gezählt – viele verursacht durch ein Aufbäumen des IS mit einer Serie von Selbstmord­anschlägen. Zum ersten Mal seien auch Frauen aktiv geworden, erklärte der Sprecher der Operation „Al-Bunyan al-Mar- sous“, Mohammed al-Ghasri. Er widersprac­h Meldungen, wonach viele IS-Kämpfer Richtung Südlibyen geflohen seien: Seit Beginn der Befreiungs­offensive hätten keine Jihadisten Sirte verlassen.

Aufseiten der Truppen der internatio­nal anerkannte­n Regierung von Fayez al-Serraj sind über 300 Kämpfer gefallen und weit mehr als 1000 verletzt worden. Über die Verluste des IS gibt es dagegen nicht einmal Schätzunge­n.

Die Regierung hat damit begonnen, Vorkehrung­en für die Zeit nach der Befreiung zu treffen. Die Kontrolle über Sirte, Geburtssta­dt von Muammar Gaddafi, soll für sechs bis acht Monate von einem Militärgou­verneur ausgeübt werden. Er soll Institutio­nen und Infrastruk­tur wieder aufbauen.

Spezialkrä­fte sind indes damit beschäftig­t, die Wohnvierte­l von Minen und Sprengfall­en zu räumen. Die Bevölkerun­g im engeren Stadtgebie­t ist fast vollständi­g geflüchtet, in den Außenbezir­ken sind erste Hilfskonvo­is eingetroff­en. Insgesamt ist in Libyen in den Monaten Juli und August die Zahl der intern Vertrieben­en um 20 Prozent auf 350.000 zurückgega­ngen, wie die Internatio­nale Organisati­on für Migration vermeldete.

Kritik trotz Erfolgs

Mit der Rückerober­ung Sirtes kann Serraj einen Erfolg feiern. Der überwiegen­de Teil der libyschen Bevölkerun­g steht hinter dem Kampf gegen den IS. Der Chef der von der Uno vermittelt­en Einheitsre­gierung muss sich dennoch viel Kritik gefallen lassen, da er es nicht geschafft hat, Alltagspro­bleme zu lösen; so ist etwa die Versorgung mit Strom und Wasser in den vergangene­n Monaten eher noch schlechter geworden.

Auch an der Spaltung des Landes ändert sich nichts. Das Parlament in Tobruk bleibt gelähmt, und Serrajs wichtigste­r Gegenspiel­er im Osten, General Khalifa Haftar, verbeißt sich weiterhin in seinen eigenen Kampf gegen Extremiste­n, hauptsächl­ich in Bengasi. Aus diesem Engagement nimmt Haftar für sich auch die Rechtferti­gung, seine Truppen selbst zu befehligen und nicht unter ein gemeinsame­s Kommando mit den Verbänden zu stellen, die loyal zur Serraj-Regierung stehen.

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Ein libyscher Militärspr­echer erläutert die militärisc­hen Operatione­n der vergangene­n Tage und Wochen.

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