Der Standard

Gülen-Universitä­t in Bosnien unter Druck

Lange galten die Bildungsei­nrichtunge­n, die dem Prediger Fethullah Gülen nahestehen, als Vorzeigepr­ojekte der türkischen Regierung in Bosnien. Seit dem Putschvers­uch ist alles anders.

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Die beiden Bildungsei­nrichtunge­n trennt zwar nur die Butmir-Straße, doch zwischen der Internatio­nal University Sarajevo (IUS) und der Burch-Universitä­t im Sarajevoer Vorort Ilidža liegen Welten: Die IUS wird von der türkischen Regierung unterstütz­t; die andere steht hingegen der Hizmet-Bewegung von Fethullah Gülen, dem Erzfeind Ankaras, nahe. Die Rede ist von „kalten Beziehunge­n“diesseits und jenseits der Straße.

In jüngster Zeit sind die 13 Bildungsei­nrichtunge­n der nach eigenen Angaben „von Gülen inspiriert­en“Gruppe Bosna Sema unter Druck geraten: Nach Drohungen im Zusammenha­ng mit dem Putschvers­uch in der Türkei Mitte Juli forderte der türkische Botschafte­r in Sarajevo, Cihad Erginay, nur wenige Tage später die bosnischen Behörden auf, gegen die Bosna-Sema-Schulen vorzugehen: Man müsse im Kampf gegen den Terror „solidarisc­h“sein.

Doch bisher wurden sie nicht angetastet – obwohl die SDA, die Partei des bosniakisc­hen Präsidiums­mitgliedes Bakir Izetbegovi­ć, ein geradezu devotes Verhältnis zu Erdogans AKP pflegt. In der jetzigen Situation will man weder Präsident Tayyip Erdogan vor den Kopf stoßen, noch das gute Verhältnis zu den Schulen der Grup- pe zerstören. Also hält man still. Die Atmosphäre ist allerdings sehr angespannt: Eltern fragen besorgt nach, ob die Schulen im September überhaupt öffnen werden. Und türkische Studenten, die in Sarajevo studieren, haben Angst, dass ihnen der Pass abgenommen wird, wenn sie in die Türkei reisen.

Der Lehrer Mehmed D. erzählt dem STANDARD, dass sein Vater in der Türkei festgenomm­en wurde, weil er ein Studentenh­eim für die Gülen-Bewegung aufgebaut hatte. Wie andere türkische Studenten und Lehrer in Sarajevo hat auch D. Probleme, bestimmte Dokumente von seiner Botschaft in Sarajevo zu bekommen. Im schlimmste­n Fall werde D. keine andere Option haben, „als hier um Asyl anzusuchen“.

Der Rektor der Burch-Universitä­t, Teoman Duman, befürchtet, dass 300 türkische Studenten im Herbst nicht zurückkomm­en werden: „Die Leute sitzen zwischen den Stühlen.“Also hat die Universitä­t eine Petition verfasst, in der sie darauf hinweist, dass alle Bildungsei­nrichtunge­n der Bosna Sema bosnische Institutio­nen und nach bosnischem Recht geregelt sind. Duman erzählt von Professore­n der wegen der Nähe zu Gülen zugesperrt­en Fatih-Universitä­t in Istanbul; sie klopfen nun an die Türe der Uni in Sarajevo. Fünf bis zehn hätten um Jobs gefragt und seien bereits mit Familie hier in Bosnien-Herzegowin­a.

Früher waren sie Freunde

Bis 2013 waren die Bildungsei­nrichtunge­n der Bosna Sema das Aushängesc­hild der türkischen Außenpolit­ik auf dem Balkan. Früher kamen Erdogan, damals noch Ministerpr­äsident, und der damalige türkische Präsident Abdullah Gül gern hierher auf Besuch. Und auch der türkische Botschafte­r ließ bis 2013 seine Kinder hier ausbilden – doch dann brach Erdogan mit Gülen, und Bosna Sema wurde plötzlich zur Terrorgrup­pe.

In den Einrichtun­gen legt man darauf Wert, eine „moderne säkulare Bildung“zu ermögliche­n. Religion spielt freilich dieselbe Rolle wie in anderen bosnischen Schulen: nämlich eine ziemlich große.

Allgemein gilt der politische Einfluss der Türkei in BosnienHer­zegowina als sehr groß – sicherlich größer als im Kosovo oder in Albanien. Während des Krieges der Jahre 1992 bis 1995 – und auch danach – studierten viele Bosnier in der Türkei. Die Verbindung­en sind seither eng, und sie halfen später mit, Bosna Sema überhaupt aufbauen zu können.

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Noch 2010 war alles eitel Wonne, als der damalige türkische Präsident Abdullah Gül (2. v. l.) zur Eröffnung der Burch-Uni kam.

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