Der Standard

Wechselber­ger: Anreize für Kassensyst­em fehlen

Ärztekamme­rpräsident beobachtet, dass Kollegen inzwischen lieber Wahlärzte werden

- Gudrun Springer

Wien – Sich als Wahlarzt niederzula­ssen, galt vor zehn bis 15 Jahren für viele Mediziner als nötige Zwischenst­ation auf dem Weg zur Ordination mit Kassenvert­rag. Konnte man Erfahrunge­n mit einer privaten Arztpraxis aufweisen, brachte das oft Punkte für die Bewerbung um eine Kassenstel­le. Diese Zielsetzun­g existiere so nicht mehr, skizziert Artur Wechselber­ger, Präsident der Österreich­ischen Ärztekamme­r (ÖÄK), im STANDARD- Gespräch.

Kaum ein Arzt mit Privatordi­nation wolle noch „auf Kasse“umsatteln. Wechselber­ger, auch Präsident der Tiroler Ärztekamme­r, kenne Wahlärzte, die mit Kassenvert­rag finanziell schlechter aussteigen würden, „bei doppelt so vielen Patienten“. Hinzu kämen weniger flexible Öffnungsze­iten und ein „Korsett“administra­tiven Aufwands.

Zuletzt hatte SPÖ-Gesundheit­ssprecher Erwin Spindelber­ger vorgeschla­gen, Geld, das Versicheru­ngen derzeit Patienten für Wahlarztbe­suche erstatten, besser für Innovation­en und zusätzlich­e Kassenstel­len auszugeben. Allerdings distanzier­te sich die – ebenfalls rote – Gesundheit­sministeri­n Sabine Oberhauser von diesem Vorschlag. Die Ärztekamme­r zeigte sich aufgebrach­t. Patientena­nwalt Gerald Bachinger nannte dann den „ärztekamme­rlichen Befund“, dass für die gesundheit­liche Versorgung der Bevölkerun­g Wahlärzte notwendig seien, „ein Armutszeug­nis für das öffentlich­e System“.

„Die Ärztekamme­r bekennt sich zur sozialen Ärzteverso­rgung“, sagt Wechselber­ger, zugleich dürfe aber die „Freiheit der Berufsausü­bung für Ärzte und Ärztinnen“– also das Wahlarztsy­stem – nicht beschränkt werden. Die Zahl der Wahlärzte steigt seit Jahren: 9566 verzeichne­te die Ärztekamme­r Ende 2015 – und 8252 Ärzte mit Kassenvert­rag (der Hauptverba­nd kommt auf 6640 Ärzte mit Kassenvert­rag, zählt aber nur jene mit Vertrag bei „großen“Kassen, also Gebietskra­nkenkassen). Sie alle sind wichtige Wähler: 2017 stehen Kammerwahl­en an. Wechselber­ger werde „mit relativer Sicherheit“in Tirol wieder antreten, „wenn die Kollegen mich aufstellen“.

Die Ärztekamme­r fordert auch 1400 Kassenvert­räge zusätzlich im niedergela­ssenen Bereich. In einigen Regionen sind Nachbesetz­ungen aber schon jetzt schwierig. Es brauche Maßnahmen, um Begeisteru­ng für das Kassenvert­ragsärztes­ystem zu entfachen, meint Wechselber­ger. Man müsse zur Zusammenar­beit motivieren und jenen, die abends oder am Wochenende offenhalte­n, Benefits geben. Daraus resultiere­nde Kosten kämen langfristi­g wieder herein, da Ambulanzen entlastet würden. Gespart werden könne im Gesundheit­sbereich in der Administra­tion.

Viel Versorgung hätten Spitalsamb­ulanzen bisher aufgefange­n, „aber die sind jetzt an einem Punkt, wo sie das nicht mehr können. Das hat jeder erkannt.“Zur Abstimmung der Ärzte des Wiener Krankenans­taltenverb­unds über einen möglichen Streik wegen der Reduktion von Nachtdiens­trädern, will Wechselber­ger sich nicht äußern.

Er sieht auch für das Betreiben der Primärvers­orgungszen­tren (PHC), die Spitäler entlasten sollen, einen Mangel positiver Anreize für Ärzte. Noch fehlt auch die gesetzlich­e Grundlage für PHC: Die – zähen – Verhandlun­gen zwischen Ärzten und Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger zum PHC-Gesetz laufen noch.

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Foto: ÖÄK / Thomas Jantzen Wechselber­ger will Benefits für Ärzte, die länger offenhalte­n.

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