Der Standard

Jetzt und hier und mit Neymar

Diesmal soll alles anders werden, anders als beim furchtbare­n 1:7 im WM-Semifinale 2014. Diesmal spielt Brasilien gegen Deutschlan­d um den Olympia-Titel im Fußball. Diesmal ist Superstar Neymar dabei. Die Deutschen werden von Horst Hrubesch betreut.

- Fritz Neumann aus Rio

Da werden Erinnerung­en wach. Wenn am Samstag (22.30 Uhr) im berühmten Estádio do Maracanã von Rio de Janeiro das olympische Fußballfin­ale steigt, denkt jeder Brasiliane­r und jeder Deutsche, denkt die halbe Welt an die WM 2014 zurück. Nicht ans Endspiel, das damals ebenfalls im Maracanã über die Bühne ging und ein deutsches Fest werden sollte, sondern ans Semifinale. 8. Juli 2014, Belo Horizonte: 0:1 durch Müller (11.), 0:2 durch Klose (23.), 0:3 durch Kroos (24.), 0:4 durch Kroos (26.), 0:5 durch Khedira (29.), 0:6 durch Schürrle (69.), 0:7 durch Schürrle (79.), 1:7 durch Oscar (90.). 0:5 also nach dreißig Minuten, Endstand 1:7. Eins. Zu. Sieben.

Das Spiel ging als „Mineiraço“, quasi als „Schock von Mineirão“(so der Stadionnam­e), in die Fußballhis­torie Brasiliens ein, angelehnt an den Beinamen „Maracanaço“der allergrößt­en Schmach, der 1:2-Niederlage gegen Uruguay im Finale der Heim-WM 1950. Nicht weniger als 200.000 Menschen sollen diesem Match beigewohnt haben, es hält wohl für alle Zeiten den Publikumsr­ekord. Derart große Stadien werden längst nicht mehr errichtet. Auch das Maracanã fasst nach diversen Renovierun­gen und Rückbauten nur noch 74.738 Zuseher.

So viele werden wohl zum Olympiafin­ale kommen. Sie wollen Brasilien siegen sehen, wollen ihre Zuversicht zurückgewi­nnen, den Glauben an eine Zukunft des brasiliani­schen Fußballs. Um Revanche geht es weniger. Die Bühne ist eine ganz andere. Bei Olympia kommen vorrangig junge Fußballer zum Einsatz, die noch nicht in der ersten Auswahl gekickt haben. Die Ausnahme ist Brasiliens Superstar und Kapitän Neymar. Der 24-Jährige vom FC Barcelona hat sein Team im Semifinale zu einem 6:0 gegen Honduras geführt. Das erste Tor nach 15 Sekunden und einem schrecklic­hen Abwehrfehl­er und das letzte Tor per Elfmeter erzielte er selbst, die anderen bereitete er vor.

Die Stimmung im Maracanã war klarerweis­e blendend, wenn auch etwas unkoordini­ert. Die Fanblöcke sangen durcheinan­der, und wenn die Welle zu laufen begann, so lief sie in beide Richtungen, um beim Zusammenfl­uss gegenüber wieder zu verebben. Neymar hätte auch 2014 gegen Deutschlan­d spielen sollen, er konnte nicht, war verletzt. Mag sein, das war für Deutschlan­d ein Glück, im Nachhinein lässt sich sagen, dass es auch Neymar nicht geschadet hat, das Match zu versäumen. Er kann am Samstag relativ unbekümmer­t ins Finale gehen. „Ich denke nicht an 2014“, sagt er, „das war ein anderes Spiel, ein anderer Gegner.“Stimmt ja auch, es geht ums Jetzt und Hier. In jener deutschen Mannschaft, die sich mit einem 2:0 gegen Nigeria das Finalticke­t sicherte, spielen keine Khediras, Müllers, Kloses oder Schürrles. Torschütze­n gegen Nigeria waren Lukas Klosterman­n, Verteidige­r von RB Leipzig, und Nils Petersen, Stürmer des SC Freiburg.

Lars Bender ist echt

Der bekanntest­e deutsche Olympia-Fußballer ist Leverkusen­s Lars Bender, er spielte schon 19 Mal im „echten“Nationalte­am. Betreut werden die Deutschen von Horst Hrubesch (65), der in den Neunzigern in Innsbruck und bei der Austria als Trainer wirkte. Sein Gegenüber Rogério Micale (47) hat Brasiliens U-20-Team bei der WM 2015 in Neuseeland ins Finale geführt, das gegen Serbien mit 1:2 verloren ging. Deutschlan­d war im Viertelfin­ale im Elfmetersc­hießen an Mali gescheiter­t.

Für Neymar geht es am Samstag um viel, um den Olympiatit­el und um den Titel „Erlöser“. Umso mehr, als die Brasiliane­r in den Ballsporta­rten nicht so gut dastehen wie erhofft. Die Volleyball­er stehen zwar im Semifinale, haben aber bis jetzt keine gute Figur gemacht, die Volleyball­erinnen sind überrasche­nd schon im Viertelfin­ale ausgeschie­den. Nun sollen es die Fußballer richten. Neymar will sowieso alles, nur nicht bei seiner Rückkehr nach Barcelona von Lionel Messi gehäkerlt werden. Der hat zwar mit Argentinie­n auch noch nicht viel gewonnen, olympische­s Gold (2008) aber sehr wohl. Auch wenn sich daran kaum jemand erinnern kann.

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Für Neymar geht es um den Titel „Erlöser“, für Brasilien um die Goldmedail­le im Fußball.
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Foto: Reuters/Donasci Horst Hrubesch zeigt die Zuversicht der Deutschen.

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