Der Standard

Zum Double mit dem Schulmotto

Elaine Thompson wollte in Rio, wie schon früher in der Schule, „ihr Licht scheinen lassen“. Die Jamaikaner­in setzte ihren Vorsatz gleich zweimal um. Nach dem Gold über 100 Meter triumphier­te sie auch über 200 Meter.

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Rio de Janeiro – Als sich Elaine Thompson zur Sprintköni­gin von Rio krönte, wurde selbst der große Usain Bolt zum Fan. Jamaikas Megastar ließ in den Katakomben des Olympiasta­dions die Journalist­en stehen und hatte nur noch Augen für den Bildschirm, auf dem Thompsons Traumrenne­n über 200 m live gezeigt wurde – und beim Zieleinlau­f flippte der Großmeiste­r völlig aus.

Die Jamaikaner haben einen neuen Liebling, der Frauenspri­nt hat eine neue Nummer eins: Als erste Leichtathl­etin seit der ebenso unerreicht­en wie umstritten­en Florence Griffith-Joyner vor 28 Jahren hat Thompson das olympische Sprintdoub­le gefeiert. Nach dem Triumph über 100 m rang die 24-Jährige über die doppelte Distanz in 21,78 Sekunden die Weltmeiste­rin Dafne Schippers aus den Niederland­en (21,88) nieder. Der anschließe­nde Rummel um ihre Person war der schüchtern­en Thompson dann aber sichtlich zuwider.

„Ich werde doch auch nach diesem Tag die selbe Elaine bleiben. Nichts wird sich dadurch ändern“, sagte sie. Und wer auf flotte Sprüche der Marke Bolt hoffte, sah sich enttäuscht. „Mein Schulmotto war, lass dein Licht scheinen. Und heute Abend habe ich meines scheinen lassen“, sagte Thompson lächelnd. Mehr ging sie nicht aus sich heraus. Das musste sie auch nicht – sie hatte Taten sprechen lassen.

„Für mich selbst ist dieser Sieg eine Überraschu­ng“, sagte Thompson, die nach dem Zieleinlau­f zunächst gar nicht registrier­t zu haben schien, dass sie vorne lag, ehe sie völlig baff war. „Ich hatte im Frühjahr eine Oberschenk­elverletzu­ng, bin nicht oft 200 Meter gelaufen. Aber ich bin eine Kämpferin.“

Thompson ist der klare Gegenentwu­rf zu ihrer flippigen Landsfrau Shelly-Ann Fraser-Pryce, lange stand sie im Schatten der siebenmali­gen Weltmeiste­rin. Aus diesem war Thompson erstmals bei der WM 2015 getreten, als sie über 200 m in 21,66 Sekunden auf Platz fünf der ewigen Bestenlist­e stürmte. Damals reichte es nur zu Silber, weil Schippers (21,63) noch schneller lief.

Atemlos im Ziel

In Rio aber war auch Schippers machtlos. „Dafne ist stark, besonders im Finish, deswegen musste ich so viel geben. Im Ziel hatte ich keine Luft mehr, musste mich erst einmal hinhocken“, sagte Thompson. Der Touch des Übermensch­lichen, des Zweifelhaf­ten, der ihre Vorgängeri­n Griffith-Joyner umgeben hatte, ging ihr völlig ab.

Die 1998 im Alter von 38 Jahren verstorben­e „Flo-Jo“hatte 1988 das Olympia-Double geschafft, ihre Weltrekord­e über 100 (10,49) und 200 m (21,34) könnten noch Jahrzehnte bestehen. „Ich habe sie natürlich nicht persönlich gekannt. Aber ich habe Fotos und Videos gesehen“, sagte Thompson. Mehr wollte, mehr konnte, mehr musste die schnellste Frau der heutigen Zeit über die schnellste Frau einer überwunden­en Epoche auch nicht sagen. (sid, red)

 ??  ?? Elaine Thompson holte als erste Frau seit der US-Amerikaner­in Florence Griffith-Joyner 1988 das olympische Sprintdoub­le.
Elaine Thompson holte als erste Frau seit der US-Amerikaner­in Florence Griffith-Joyner 1988 das olympische Sprintdoub­le.

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