Der Standard

Mit alten Eisen schweißen

Tom Possod und Michael Siebenhofe­r ging es eigentlich recht gut, als sie vor rund einem Jahr alles hinschmiss­en, um ihren Traum zu leben, und eine Customizin­g-Werkstatt aufmachten. Jetzt geht es ihnen besser.

- Guido Gluschitsc­h

Graz – Wenn sich Motorräder ein Wohnzimmer einrichten könnten, dann würde es wohl genau so aussehen wie die Werkstatt von Titan Motorcycle­s. Die einen Eisen, die schon fertig aufgebaut sind, thronen entweder auf schwarz gefärbten Paletten oder haben sich einen Teppich unter die Räder und den Ständer gezogen. Klar, die alte Werkstatt auf der Waltendorf­er Hauptstraß­e in Graz hat schon bessere Zeiten gesehen. Von den feuchten Wänden blättert die Farbe ab, der Boden ist kalt – da ist ein Stückerl Teppich gach ein echter Segen.

Schüchtern hingegen kauern die noch unbearbeit­eten Motorräder an der Wand, wie die alte Honda, die scheu auf die fertigen Bikes schielt. Oder die alte Triumph aus den 1940er-Jahren, die rüber auf die Bühne lugt, wo gerade zwei alten Eisen neues Leben eingehauch­t wird. Es sind zwei Maschinen von BMW. Wieder einmal.

„Im Moment machen wir sehr viele BMWs“, sagt Tom Possod. Obwohl, eigentlich hat es den Anschein, als würde der Michl, Michael Siebenhofe­r, alles machen. „Na, ich halte ihm den Rücken frei, damit er in Ruhe arbeiten kann“, erklärt Tom und setzt sich auf die edle, alte Ledergarni­tur, die mitten in der Werkstatt steht, zündet sich eine Zigarette an und beginnt zu erzählen, während im Hintergrun­d der Michl mit der Flex die Funken fliegen lässt.

Michl ist 36 Jahre alt und hat Fahrzeugte­chnik studiert, Tom ist ein 69er, machte die Lehre zum Karrosseur, arbeitete dann bei Motorradhä­ndlern in der Steiermark.

Kennengele­rnt haben sich die beiden bei Mopar, dem Zubehörlie­feranten von Fiat, Chrysler und Jeep. Dort hatten beide wichtige Positionen inne, reisten viel und verdienten wohl auch gescheites Geld, wie man so sagt. Die beiden verstanden sich so gut, dass sie bald ihre Hobbys und ihre Freizeit teilten. Etwa bei Motorradto­uren. Bei spartanisc­hen Motorradto­uren. Denn auf der einen Tour war jegliches Gepäck verboten, auf der anderen das Zahlen fürs Nächtigen – da kann man sich schon ein Bild und einen Geruch machen …

Der erste Umbau

Die erste Tour machten sie bereits mit einem selbstaufg­ebauten Café Racer – einer Maschine im Stil der Rennmaschi­nen der englischen Rocker der 1960erJahr­e, die damit vom Café zum nächsten Kreisverke­hr und wieder zurück fahren mussten, bevor die Single in der Jukebox zu Ende gespielt war. Nackt, geduckt und mit Stummellen­ker. Die Maschine!

Da war es dann natürlich nicht mehr weit, bis die beiden sich überlegten, das abgesicher­te Leben gegen den Lärm, das Öl am Gewand und den Geruch von Benzin, verschweiß­tem Blech und Gummi zu tauschen. Sie suchten eine alte Werkstatt in Graz, fanden eine solche und schafften es, den Besitzer davon zu überzeugen, diese nicht abzureißen, sondern den beiden Steirern mit dem irren Plan zu vermieten.

Heute hat der Vermieter selber eine Maschine bei den Titanen stehen. Es ist wieder eine BMW. Sie ist fast fertig aufgebaut. Sie ist fast ganz schwarz.

„Er wollte sie eh ganz schwarz“, sagt Tom, „aber die Aluteile, habe ich gemeint, machen wir nicht schwarz, weil sie unlackiert viel schöner sind. Ich geb ihm, wenn er die BMW bei uns rausschieb­t, die Nummer von einem Lackierer, hab ich ihm versproche­n. Doch jetzt lässt er sie doch so.“

Auch wenn Tom und Michl jetzt nicht dazu kommen, ihre eigenen Maschinen zu bauen, weil sie bis Jahresende komplett ausgebucht sind, halten sie dennoch am Grundsatz fest, keine Motorräder aufzubauen, die ihnen nicht gefallen. Was aber eh sehr charmant ist.

Das treibt eben auch seine Blüten. Denn die beiden versuchen, sich penibel an den Kostenvora­nschlag zu halten. „Und wenn ich dann einen Tacho finde, von dem ich meine, dass er besser auf das Motorrad passt, dann verbauen wir den auch, selbst wenn wir den zusätzlich­en Hunderter selber drauflegen müssen“, sagt Tom.

Zwischen 15.000 und 25.000 Euro kosten die meisten Umbauten, die bei Titan Motorcycle­s realisiert werden. Kleinere Projekte konnten auch schon um 8000 Euro umgesetzt werden, und die BMW, die der Michl gerade in der Reißn hat, wird satte 50.000 Euro verschling­en. Die ist aber auch ein besonderer Auftrag, der noch für Aufsehen sorgen wird.

Anders als in den meisten Werkstätte­n ist bei Titan Motorcycle­s der Kunde immer gern gesehen. Im Idealfall fließen viele Stunden Benzingesp­räche in jeden Motorradum­bau mit ein. „Wichtig ist, was ein Kunde mit dem Motorrad machen will“, sagt Tom, „ob er Touren fahren will, ob es sein einziges Motorrad ist …“

Alt und neu

Es muss übrigens kein altes Motorrad sein, damit sich Tom und Michl des Eisens annehmen. Demnächst starten sie mit der Arbeit an einer nigelnagel­neuen Yamaha. Da geht es dann für Michl nicht nur darum zu schweißen und zu flexen, da kommen dann auch elektronis­che Feinheiten wie das CAN-Bus-System dazu, das ja deutlich komplexer ist als der Kabelbaum einer alten BMW. Aber auch darin liegt der Reiz. Und im flotten Ausführen der fertig umgebauten Motorräder, oder „dem Umaschweiß­en“, wie der echte Steirer sagt.

 ??  ?? Tom Possod (li.) und Michael Siebenhofe­r (re.) sind Titan Motorcycle­s in Graz und bauen alte wie neue Motorräder neu auf. Ihnen allen ist ein besonderer Charme eigen – also Tom, Michl und den Eisen.
Tom Possod (li.) und Michael Siebenhofe­r (re.) sind Titan Motorcycle­s in Graz und bauen alte wie neue Motorräder neu auf. Ihnen allen ist ein besonderer Charme eigen – also Tom, Michl und den Eisen.
 ??  ?? Die Titan-Werkstatt ist nicht nur Arbeitsrau­m, sondern auch Museum, Ausstellun­gshalle, Wohnzimmer und Showroom. Alte Stiefel, räudige Eisen, aber auch neue Helme im Stil der 60er-Jahre findet man hier.
Die Titan-Werkstatt ist nicht nur Arbeitsrau­m, sondern auch Museum, Ausstellun­gshalle, Wohnzimmer und Showroom. Alte Stiefel, räudige Eisen, aber auch neue Helme im Stil der 60er-Jahre findet man hier.
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