Der Standard

Totgesagte leben länger

Eine staatliche Pension wird es für viele Junge einmal nicht mehr geben. Das ist eine weitverbre­itete Ansicht unter jungen Menschen. Experten zufolge hat sie mit der Realität aber nichts zu tun. So jung wie ihre Eltern werden sie den Ruhestand aber gewiss

- Andreas Sator

Wien – Unter Menschen in ihren 20ern ist die Pension nicht unbedingt das Gesprächst­hema. Wenn man sie aber darauf anspricht, dann scheinen sie den Kopf in den Sand zu stecken. Je nach Umfrage glauben fünf bis sechs von zehn jungen Erwachsene­n, später einmal keine staatliche Pension mehr zu bekommen. Diese Befragunge­n werden meist von privaten Versichere­rn in Auftrag gegeben. Das Ergebnis passt ihnen also ins Geschäftsm­odell. Wer mit Jungen redet, kommt jedoch zu ähnlichen Schlüssen. Sorgen sie sich aber zu Recht?

Aus heiterem Himmel hat sich diese Ansicht jedenfalls nicht verbreitet. Unbestritt­en ist, dass es in der Zukunft viel mehr alte Menschen geben wird. Derzeit sind zwei Millionen Personen in Österreich über 65 Jahre alt. 2050 sind es laut Prognosen der EUKommissi­on dann eine Million mehr. Es wird also wesentlich mehr Leute geben, die von der Arbeit der Restbevölk­erung erhalten werden müssen.

Gleichzeit­ig gehen die Menschen in Österreich im Moment noch relativ jung in Pension. Im Schnitt sind sie etwa 60 Jahre alt.

Das ist teuer. Steckt der Kopf der Jungen also berechtigt­erweise im Sand? Nein, sagen Experten. „Das ist Panikmache“, sagt Bernd Marin, einer der führenden Forscher zum Thema im Land. „Es wird immer so etwas wie eine Pension geben.“Andreas Wörgötter, wie Marin mittlerwei­le selbst in Rente, sieht es genauso. „Es geht sich immer aus.“Wörgötter hat lange für die OECD die Wirtschaft Österreich­s und die anderer Länder analysiert.

Beide Experten setzen ihre Antworten mit einem „aber“fort. Dieses „aber“ist es wohl, das neben der Panik, die manche Politiker schüren, um ihre eigenen Positionen durchzuset­zen, für die Sorgen der Jungen verantwort­lich ist.

So sagt etwa Bernd Marin, ja, die Jungen werden eine Pension bekommen, „aber wie viel Kaufkraft dahinterst­eht, hängt von der Reformbere­itschaft meiner Generation ab“. Junge Menschen würden die Pension ihrer Eltern im Schnitt mit 100.000 Euro fördern, sagt Marin. Wenn sie im öffentlich­en Sektor arbeiten, sei es noch viel mehr. Denn die Beiträge der Eltern würden ihre Pensionsza­hlungen bei weitem nicht decken. Das liege nicht daran, dass die Pensionist­en in Saus und Braus le- Wie sicher die Pensionen noch sind

6. Teil ben, sondern einfach daran, dass sie sehr lange in Rente sind.

Um die Leistbarke­it von Pensionen abschätzen zu können, lohnt ein Blick auf die Prognosen der EU-Kommission. Derzeit bekommen Pensionist­en brutto ein Siebtel des Kuchens, also der gesamten Einkommen eines Jahres, die es zu verteilen gibt. 2050 sind es nur ein paar Brösel mehr, 14,6 Prozent statt derzeit 13,9 Prozent.

Wie ist das möglich, wenn es so viel mehr alte Menschen gibt? Erstens wächst der Kuchen weiter, die Kommission nimmt ein Wirtschaft­swachstum von 1,5 Prozent pro Jahr an. Zweitens gehen die Menschen später in Pension. Drittens werden die Renten auch weniger großzügig ausfallen. Wer vor 15 Jahren in den Ruhestand ging, ist nicht von den schwarz-blauen Kürzungen betroffen. Heute fallen die Pensionen niedriger aus. Nach dieser Lesart sind die Ausgaben für Rentner künftig nicht unleistbar. Es ist umgekehrt: Die Ausgaben sind gemessen an der Zahl der Pensionist­en nur heute sehr hoch.

„Das Pensionssy­stem ist stabil“, sagt Andreas Wörgötter. „Seine Nachhaltig­keit kann ohne weiteres gesichert werden.“Die Men- schen würden künftig aber freilich länger arbeiten müssen, sagt er. Immerhin würden sie auch immer länger leben. Das Antrittsal­ter für Frauen müsse man darüber hinaus schneller an das der Männer anpassen.

Für die OECD hat er unter anderem Analysen zu Dänemark erstellt. Dort werden heute schon Briefe an Junge versandt, die ihnen mitteilen, wie lange sie einmal arbeiten müssen. Ein Bekannter habe erst so ein Schriftstü­ck erhalten. Sein Antrittsal­ter: 72. Es passt sich dort automatisc­h an die Lebenserwa­rtung an.

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Die Gerüchte um den Tod des Pensionssy­stems sind verfrüht. Glaubt man Prognosen der EU-Kommission, werden die Renten nicht künftig unleistbar, sondern sind nur heute schon sehr teuer.

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