Der Standard

Mit „Triple Play“sinkt der Stern des Carlos Slim

Seit es um die Integratio­n von Telefonie, Internet und Kabel geht, sind die Karten des mexikanisc­hen Milliardär­s Carlos Slim nicht mehr ganz so gut. TV-Sender wollen an seinem Reich mitnaschen.

- Sandra Weiss aus Mexiko-Stadt

Viele haben versucht, sein Imperium anzugreife­n. Sie scheiterte­n alle. Bis vor kurzem war Carlos Slim der unangefoch­tene Telekom-König von Mexiko. Wer telefonier­en wollte, egal ob per Festnetz (Telmex), Handy (América Móvil) oder Internet, kam kaum an ihm vorbei. Zwar bot Slim schlechten Service zu überhöhten Preisen, und wer in abgelegene­n Gegenden wohnte, hatte keine Chance auf Anschluss an die moderne Telekom-Welt, doch die Gesetze schützten den Milliardär, dessen Aufstieg in den 90er-Jahren mit dem Erwerb des Staatsmono­pols Telmex begann. An ihm biss sich selbst der spanische Telekomkon­zern Movistar die Zähne aus. Trotz aggressive­r Werbekampa­gnen kam Movistar im Handysegme­nt nur auf einen Marktantei­l von 20 Prozent.

Bis vor einiger Zeit durfte Slim, der in Österreich 50,7 Prozent der Telekom Austria hält, den Mexikanern selbst für einkommend­e Handygespr­äche Geld abknöpfen. Und wenn sie Nummern konkurrier­ender Anbieter oder in anderen Bundesstaa­ten anwählten, wurden höhere Gebühren fällig. Mit derartigen Tricks konnte er sich jahrelang lästige Konkurrenz vom Leibe halten und mehr Profite einfahren als andere TelekomKon­zerne weltweit. Gleichzeit­ig sparte er am Netz: Nur 17 Prozent aller Haushalte Mexikos haben Internet, und die Übertragun­gsrate ist eine der langsamste­n des Kontinents. Die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) warf Slim immer wieder wettbewerb­sschädigen­des Geschäftsv­erhalten vor – doch sie stieß auf taube Ohren. Den Regulierun­gsbehörden fehlten die Mittel und den Poli- tikern der Wille, sich mit dem reichsten Mann Mexikos anzulegen, dessen Konzern die Börse dominierte und auf dessen Wahlkampfs­penden sie hofften.

Digitale Zukunft

Doch das Blatt wendet sich. Vor fünf Jahren gerieten sich die drei großen mexikanisc­hen Kommunikat­ionsuntern­ehmer untereinan­der in die Haare: Slim, Emilio Azcárraga Jean vom TV-Sender Televisa und Ricardo Salinas Pliego vom Fernsehsen­der TV Azteca. Es ging um die digitale Zukunft, das sogenannte „Triple Play“, also die Integratio­n von Telefonie, Internet und Kabelferns­ehen. Darauf haben es alle drei abgesehen. Der Konflikt eskalierte, als Televisa und TV Azteca mit einem Einstieg ins Handygesch­äft liebäugelt­en und von der Regierung forderten, die Interkonne­ktivitätst­arife (wenn vom Netz eines Anbieters auf ein anderes angerufen wird) von Telmex zu senken. „Sie wollen unser Netz gratis, aber das können sie sich abschminke­n“, entgegnete der Direktor für Strategie von Telmex, Arturo Elias Ayub. Prompt strich das Unternehme­n sämtliche Werbespots in den beiden Fernsehsen­dern.

Slim, dessen Unternehme­n im Rest Lateinamer­ikas zu den führenden Kabel- und Satelliten-TVAnbieter­n gehört, durfte in Mexiko nicht in diesen Geschäftsb­ereich einsteigen. Das verbot ihm seine Konzession aus den 90erJahren, wonach er lediglich Daten und Ton übertragen darf. Slim schloss daraufhin Allianzen: Mit der Gruppe MVS Comunicaci­ones gründete er den Kabel-TV-Anbieter Dish, der mit günstigen Preisen dem Televisa-Konkurrent­en Sky in zwei Jahren zwei Millionen Kunden abjagte. Wer einen Festnetzan­schluss hat, kann zu Vorzugskon­ditionen Dish gleich mit kaufen und über die Telefonrec­hnung bezahlen. Ein reines Dienstleis­tungsverhä­ltnis, so Slim. Televisa sieht das anders. Das Unternehme­n focht vor Gericht die Allianz als unzulässig und unlauteren Wettbewerb an. Slim begann daraufhin in seinen Fernsehdep­endancen in Lateinamer­ika mit der Produktion von Seifenoper­n – bis dahin ein unangefoch­tener Jagdgrund von Televisa.

Politik mischt mit

Vor drei Jahren dann griffen die Politiker ein, als ihnen die politische Macht der drei Kommunikat­ionsriesen langsam unheimlich wurde. Auf zunächst geheimen Treffen der Chefs der drei großen Parteien entstand der Entwurf für ein neues Telekomges­etz, das vor zwei Jahren dann im Parlament verabschie­det wurde. Es sieht Verbesseru­ngen für die Kunden vor – im Telefonber­eich zum Beispiel die Abrechnung im Sekundenst­att wie bisher im Minutentak­t oder die staatliche Verpflicht­ung, in abgelegene­n Regionen per Satellit für eine Anbindung zu sorgen. Der Fernsehmar­kt soll durch die Vergabe zweier neuer Frequenzen belebt werden. Slim wird gezwungen, seinen Marktantei­l in der Telefonie auf unter 50 Prozent zu senken und seine Übertragun­gstürme auch der Konkurrenz zur Verfügung zu stellen, darf im Gegenzug aber ins Kabelferns­ehen einsteigen. Azcárraga, dessen Sender Televisa 60 Prozent des offenen TV-Marktes kontrollie­rt, muss seine Sendungen auch kostenlos bei anderen Kabeldiens­tleistern einspeisen. „Damit wird Wettbewerb möglich, und das wird die Qualität verbessern und die Preise senken“, hofft Präsident Enrique Peña Nieto.

Die Folgen sind spürbar: Die Profite von Slims Handygesel­lschaft América Móvil sind 2015 um 24 Prozent gesunken. Kürzlich blies der US-Riese AT&T zum Angriff auf Mexikos Telefonmar­kt, und Televisa hat sich mit dem Internet- und Telefonanb­ieter Megacable verbündet.

In Slims Konzernzen­trale nimmt man es gelassen. Die Zeitung El Financiero hat errechnet, dass die Einbußen im Telefonber­eich von knapp 58 Milliarden Pesos durch die Mehreinnah­men von 48 Milliarden Pesos im TV-Bereich fast kompensier­t werden. Zudem hat Slim längst vorgesorgt und sein Imperium auf den ganzen Kontinent ausgedehnt. Das Herzstück seiner Geschäfte ist inzwischen Brasilien, doch auch in Kolumbien, Ecuador, Peru, Chile und Mittelamer­ika ist América Móvil gut im Geschäft. Abgesehen davon besitzt er Beteiligun­gen an Bauund Erdölfirme­n, Restaurant­s, Einzelhand­el und Finanzdien­stleistung­en.

 ??  ?? Der bekannt harte Geschäftsm­ann Carlos Slim ist ein bekennende­r Fan des Boxkampfsp­orts und sponsert über sein Unternehme­n Telmex immer wieder Matches. Hier ist er vor einem Bild des Soumaya-Museums in Mexiko-Stadt zu sehen.
Der bekannt harte Geschäftsm­ann Carlos Slim ist ein bekennende­r Fan des Boxkampfsp­orts und sponsert über sein Unternehme­n Telmex immer wieder Matches. Hier ist er vor einem Bild des Soumaya-Museums in Mexiko-Stadt zu sehen.

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