Von Rampensau zu Gemeindebau
Mit Georg Ringsgwandls „Die Tankstelle der Verdammten“stopft der Stadtsaal das Sommerloch. Das Rockmusical, u. a. spielen Wilfried Scheutz und Eva Maria Marold, ist Klamauk, aber nicht schlecht gemacht.
Wien – Ein Motorfriedhof. Hier könnte zwischen leerem Bierblech und zerbrochenen Scheiben ein Horrorfilm seinen Ausgangspunkt oder ein Menschenleben seinen Ausgang nehmen. Stranguliert von der Lichterkette am Imbissstandl etwa. Zwei der hier unter die Räder Gekommenen sind Tino und Chuck.
Letzterer (Wilfried Scheutz) hat seine beste Zeit als Rock-’n’-Roller zwischen „Gmünd, Horn und sogar St. Pölten“(hier grüßen einander Künstler-Fakt und Figur-Fiktion) schon ein Zeitl hinter sich. Tanken tut er v. a. Prozentiges. Vom Nachruhm lebt es sich nur mehr in der Vorstellung gut. Hinter auf Bierkisten aufgebockten Karosserien sitzt eine Band. Der Mensch ist ein Würschtel und das Dasein liegt ihm schwer im Magen, singen die Polka Punks und haben damit sichtlich recht.
1994 hat der bayerische Kabarettist und Liedermacher Georg Ringsgwandl sein Rockmusical Die Tankstelle der Verdammten geschrieben, „aufgehoben“sollte sich das Publikum darin fühlen, was in etwa heißen mag, blöd darf und soll es sein, aber nicht so blöd, dass man weit unter seinem Niveau lachen müsste. „Global Player“reimt sich also auf „Konkurrenz aus Korea“. Das geht.
Wiener Sozialkolorit
Für den Stadtsaal hat Thomas Maurer den Text dem Wienerischen eingemeindet bzw. eingemeindebaut. Der Mundl könnte dem Pate gestanden haben. So sorgt etwa „drübersteigen“für Lo- kal- und Sozialkolorit. Dass das Rocker-Würschtel einen Bruder hat, ist indes weniger ein geteiltes als ein doppeltes Leid für Mutter Eva Maria Marold.
Jacques (man entsinne sich des Sackbauer-„Renne“!) hat sie den Chuck-Buben in einem Desiderat von Savoir-vivre dereinst genannt. Ihren anderen, den Ivo, heißt die Resche, von der Erfahrung geläutert, nur mehr Trottel. Das Bier schüttelt sie, bevor sie es ihm hinknallt. Recht g’schiecht’s eam.
Die Kraftausdrücke stehen dieser Proud Mary aus Simmering, Ottakring oder Favoriten gut an. Auf ihren Knien hat sich die Geplagte den Erhalt der Pension und der beiden Wohnungen, in denen das Sohngesindel haust, erschrubbt. Ein zuckerlbuntes Kostüm wahrt für sie jetzt die Contenance, während der Exekutor dem Ivo den Kuckuck draufpickt. So viel Brachialhumor inszeniert Gabi Rothmüller weidlich mittendrin in Klischee und Karikatur. Das Ordinäre ist neben dem Traurigen der Kern des zweistündigen Spiels, das mit schön viel Aufwand schön billig daherkommen will.
G’schmackig geschmacklos
Das gelingt, trotz überschaubaren Tiefgangs in Worten und Taten, nicht schlecht. Verdanken tut sich das zum einen Ringsgwandls Musik. Nicht nur kann Eva Maria Marold fabelhaft dazu singen, spielen und als Fee Rollschuh fahren. Und nicht nur kann Schwiegertochter Angie (köstlich geschmacklos: Nadja Maleh) dazu ebenso gut singen und das Sofa mit auf Leopardenmustervase und Leotop abgestimmten Leoprintpölstern „schön machen“und irgendwann auch das Hirn unter der Frisur einschalten, sodass es für den Chuck eng wird.
Geht’s ansonsten derb zu, sind Ringsgwandls Töne fein gesetzt, geben dem Plot zwischen kurzen Dialogen Schwung und Gefühl. Zudem spielen Erwin Bader, Harald Baumgartner und Titus Vadon (unlängst: Das Balaton Combo) neben ihren Instrumenten auch ihre Bühnenrollen, etwa als schmierig-kleinkrimineller Tankstellenbetreiber, ein Hecht vor dem Weibe, oder Tankstellenwirt, mit lohnendem Einsatz. Wilfried Scheutz, „rockende Rampensau“der 1970er und Folgejahre und Headliner des Abends, konnte da nicht immer mithalten.
Manchmal ist es auch angenehm, so ein bisserl unter dem eigenen Niveau. Bis 3. 9. pwww. stadtsaal.com