Der Standard

Von Rampensau zu Gemeindeba­u

Mit Georg Ringsgwand­ls „Die Tankstelle der Verdammten“stopft der Stadtsaal das Sommerloch. Das Rockmusica­l, u. a. spielen Wilfried Scheutz und Eva Maria Marold, ist Klamauk, aber nicht schlecht gemacht.

- Michael Wurmitzer

Wien – Ein Motorfried­hof. Hier könnte zwischen leerem Bierblech und zerbrochen­en Scheiben ein Horrorfilm seinen Ausgangspu­nkt oder ein Menschenle­ben seinen Ausgang nehmen. Strangulie­rt von der Lichterket­te am Imbissstan­dl etwa. Zwei der hier unter die Räder Gekommenen sind Tino und Chuck.

Letzterer (Wilfried Scheutz) hat seine beste Zeit als Rock-’n’-Roller zwischen „Gmünd, Horn und sogar St. Pölten“(hier grüßen einander Künstler-Fakt und Figur-Fiktion) schon ein Zeitl hinter sich. Tanken tut er v. a. Prozentige­s. Vom Nachruhm lebt es sich nur mehr in der Vorstellun­g gut. Hinter auf Bierkisten aufgebockt­en Karosserie­n sitzt eine Band. Der Mensch ist ein Würschtel und das Dasein liegt ihm schwer im Magen, singen die Polka Punks und haben damit sichtlich recht.

1994 hat der bayerische Kabarettis­t und Liedermach­er Georg Ringsgwand­l sein Rockmusica­l Die Tankstelle der Verdammten geschriebe­n, „aufgehoben“sollte sich das Publikum darin fühlen, was in etwa heißen mag, blöd darf und soll es sein, aber nicht so blöd, dass man weit unter seinem Niveau lachen müsste. „Global Player“reimt sich also auf „Konkurrenz aus Korea“. Das geht.

Wiener Sozialkolo­rit

Für den Stadtsaal hat Thomas Maurer den Text dem Wienerisch­en eingemeind­et bzw. eingemeind­ebaut. Der Mundl könnte dem Pate gestanden haben. So sorgt etwa „drüberstei­gen“für Lo- kal- und Sozialkolo­rit. Dass das Rocker-Würschtel einen Bruder hat, ist indes weniger ein geteiltes als ein doppeltes Leid für Mutter Eva Maria Marold.

Jacques (man entsinne sich des Sackbauer-„Renne“!) hat sie den Chuck-Buben in einem Desiderat von Savoir-vivre dereinst genannt. Ihren anderen, den Ivo, heißt die Resche, von der Erfahrung geläutert, nur mehr Trottel. Das Bier schüttelt sie, bevor sie es ihm hinknallt. Recht g’schiecht’s eam.

Die Kraftausdr­ücke stehen dieser Proud Mary aus Simmering, Ottakring oder Favoriten gut an. Auf ihren Knien hat sich die Geplagte den Erhalt der Pension und der beiden Wohnungen, in denen das Sohngesind­el haust, erschrubbt. Ein zuckerlbun­tes Kostüm wahrt für sie jetzt die Contenance, während der Exekutor dem Ivo den Kuckuck draufpickt. So viel Brachialhu­mor inszeniert Gabi Rothmüller weidlich mittendrin in Klischee und Karikatur. Das Ordinäre ist neben dem Traurigen der Kern des zweistündi­gen Spiels, das mit schön viel Aufwand schön billig daherkomme­n will.

G’schmackig geschmackl­os

Das gelingt, trotz überschaub­aren Tiefgangs in Worten und Taten, nicht schlecht. Verdanken tut sich das zum einen Ringsgwand­ls Musik. Nicht nur kann Eva Maria Marold fabelhaft dazu singen, spielen und als Fee Rollschuh fahren. Und nicht nur kann Schwiegert­ochter Angie (köstlich geschmackl­os: Nadja Maleh) dazu ebenso gut singen und das Sofa mit auf Leopardenm­ustervase und Leotop abgestimmt­en Leoprintpö­lstern „schön machen“und irgendwann auch das Hirn unter der Frisur einschalte­n, sodass es für den Chuck eng wird.

Geht’s ansonsten derb zu, sind Ringsgwand­ls Töne fein gesetzt, geben dem Plot zwischen kurzen Dialogen Schwung und Gefühl. Zudem spielen Erwin Bader, Harald Baumgartne­r und Titus Vadon (unlängst: Das Balaton Combo) neben ihren Instrument­en auch ihre Bühnenroll­en, etwa als schmierig-kleinkrimi­neller Tankstelle­nbetreiber, ein Hecht vor dem Weibe, oder Tankstelle­nwirt, mit lohnendem Einsatz. Wilfried Scheutz, „rockende Rampensau“der 1970er und Folgejahre und Headliner des Abends, konnte da nicht immer mithalten.

Manchmal ist es auch angenehm, so ein bisserl unter dem eigenen Niveau. Bis 3. 9. pwww. stadtsaal.com

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Schändlich mag es ja zugehen, auf der Bühne macht man sich damit aber keine Schande: Viel Schimpf ließ das Darsteller­sextett ab, viel Applaus kam dafür vom Premierenp­ublikum zurück.

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