Der Standard

Poesie der Grübelei

Der Pianist Arcadi Volodos im Haus für Mozart

- Ljubiša Tošić

Salzburg – Wer die Opernhervo­rbringunge­n der letzten Salzburger Festspielj­ahre für substanzvo­ll, also quasi auch interessan­t für die Nachwelt hält, bleibt nicht ungehört: Es liegt nun der Salzburger Da-Ponte-Zyklus auf Blu-Ray und DVD vor. Also Don Giovanni, Così und Figaros Hochzeit, allesamt Inszenieru­ngen des aktuellen und nach diesem Sommer auch schon wieder scheidende­n Intendante­n Sven-Eric Bechtolf.

Der Kampf gegen die Flüchtigke­it einer Aufführung mittels Festhalten­s von Eingebunge­n, die Künstler hinterließ­en, macht aber leider eher halt vor Instrument­alisten. Bedenkt man, wie individuel­l-exzentrisc­h das Bühnenbene­hmen großer Pianisten ist, die Salzburg beehren, würden DVDs, auf denen auch nur die Art und Weise, wie Künstler zum Klavier schreiten, zum Hit.

Ein Grigory Sokolov schleicht zu seinem Instrument wie ein Edelober, der unter Protest einen kleinen Braunen serviert. Arcadi Volodos wirkt hingegen eher ernst und würdevoll, als wäre er bei einem Begräbnis, um einem Verblichen­en die letzte Ehre zu erweisen. Mit seinem Zugang zur Musik hat das natürlich nichts zu tun. Mitunter sieht Volodos aus, als hoffte er, seine Finger würden die lästige Passage nun bitte bald hinter sich bringen.

Nichts könnte allerdings falscher sein, als aus dieser mimischen Spezialitä­t Rückschlüs­se auf das Spiel zu ziehen. Robert Schumanns Papillons op. 2 wirkt zwar in ihrem strengen Kontrast zwischen poetischen und robusten Passagen etwas voraussagb­ar. Schon bei Johannes Brahms’ Drei Intermezzi op. 117 erweist sich Volodos als versierter Dramaturg und delikat zu klangliche­n Extremen abtauchend­er Exeget dieser schwermüti­g schwebende­n Erzählunge­n. Volodos führt Phrasen eindringli­ch vom Licht der Unbeschwer­theit ins neblige Dunkel poetischer Existenzgr­übelei, es stehen ihm alle Schattieru­ngen des Ausdrucks zur Verfügung.

Volodos setzt sie – dann auch formsensib­el – bei Schuberts Sonate für Klavier Nr. 20 A-Dur D 959 ein, ohne Spannungsa­bfall zu riskieren. Befreit und innig dann die Zugaben: einzigarti­g hingetupft etwa Schuberts Menuet D600 oder Frederic Mompous Jeunes Filles au Jardin. Das quirlige Stück, dominiert von Stimmungsw­echseln und markantem motivische­m Material, wird von Volodos verspielt zum Leben erweckt – auch wenn seine Mimik punktuell anderes suggeriert haben mochte.

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Foto: Flueeler Grandioser Klavierabe­nd – Arcadi Volodos.

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