Der Standard

Integratio­n mit dem Holzhammer

Der Ein-Euro-Job-Plan von Kurz ist nicht die Lösung für ein dringendes Problem

- Eric Frey

Die Studie der Bertelsman­n-Stiftung, die keinem einzigen EULand eine erfolgreic­he Integratio­nspolitik am Arbeitsmar­kt bescheinig­t, ist besorgnise­rregend und beruhigend zugleich. Sie zeigt auf, wie groß und wie schwer lösbar die Probleme sind, die durch die Zuwanderun­g aus der islamisch-arabischen Welt entstanden sind. Aber sie senkt auch die Erwartunge­n an die Politik, rasch Patentreze­pte für die Integratio­n von Flüchtling­en und anderen Migranten zu präsentier­en. Ja, Arbeit ist der Schlüssel zur Integratio­n, aber kein noch so forscher Vorschlag wird die Hürden für die meisten Neuankömml­inge bei der Arbeitssuc­he zum Verschwind­en bringen.

Für die politische Debatte in Österreich, die wieder einmal mehr von Justaments­tandpunkte­n als Argumenten geprägt ist, ergeben sich daraus einige nützliche Erkenntnis­se. So würde eine Arbeitserl­aubnis für Asylwerber, die auf den Abschluss ihres Verfahrens warten, kaum Verwerfung­en im Arbeitsmar­kt auslösen. Die große Mehrheit würde ohnehin keinen Job finden, weshalb man sich auch nicht vor einer Sogwirkung auf Arbeitsmig­ranten fürchten müsste. Aber einzelne Flüchtling­e, die arbeiten wollen und könnten, erhielten eine Chance, ihre Zeit für sich und andere sinnvoll zu nutzen. Weder das Njet der ÖVP noch die strikten Auflagen, die sich SPÖ und Gewerkscha­ft für einen solchen Zugang wünschen, sind notwendig. Und genauso könnte man dann auf komplizier­te Modelle für gemeinnütz­ige Arbeiten, wie sie derzeit diskutiert­A werden, verzichten. ber genauso überflüssi­g ist der Plan von Integratio­nsminister Sebastian Kurz, anerkannte Flüchtling­e durch eine Fülle von Drohungen und Schikanen zur Arbeit zu zwingen – und sei es zum fast unbezahlte­n Straßenkeh­ren. Das Modell der Ein-Euro-Jobs hat schon in Deutschlan­d wenig gebracht, wo es als Einstiegsh­ilfe für Langzeitar­beitslose gedacht war. Für Flüchtling­e ist es noch weniger geeignet – außer man geht davon aus, dass diese Menschen grundsätzl­ich nur aus Faulheit keiner Beschäftig­ung nachgehen.

Das mag in Einzelfäll­en zutreffen, auch unter gebürtigen Österreich­ern. Aber die große Mehrheit würde liebend gerne Arbeit finden, schafft das aber nicht – nicht nur in Österreich.

Das heißt nicht, dass man am sozialund integratio­nspolitisc­hen Status quo nicht rütteln soll. Wenn Großfamili­en heute durch die Mindestsic­herung mehr Geld erhalten, als ein Elternteil je durch einen Vollzeitjo­b verdienen kann; wenn junge Männer ihre Lehrstelle in der Provinz aufgeben, weil sie in Wien ohne Arbeit kurzfristi­g besser aussteigen; wenn in der Praxis kein Druck zur Arbeitssuc­he ausgeübt wird – dann sind in einigen Jahren auch bei uns französisc­he Zustände garantiert.

Aber um dies zu verhindern, braucht es keine Holzhammer­politik, wie sie Kurz, Sobotka, Lopatka und Co aus parteipoli­tischen Gründen betreiben. Helfen kann nur ein mit dem Koalitions­partner abgestimmt­es Paket, in dem es sehr wohl auch Platz für eine Deckelung der Mindestsic­herung, eine Option auf befristete Bezahlung unter Kollektivv­ertrag und Sanktionen für Arbeitsver­weigerer geben könnte.

Mit populistis­chem Trommelfeu­er wird sich die SPÖ davon nicht überzeugen lassen. Eine Dauerdebat­te ohne Ergebnisse aber spielt nur jenen Kräften in die Hände, die das Problem mit noch rabiateren Mitteln lösen wollen – und dabei erst recht scheitern würden.

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