Der Standard

Scheinselb­stständigk­eit soll durch Vorabprüfu­ng verhindert werden

Um Streitfäll­e zu vermeiden, soll künftig schon vorab geprüft werden, ob jemand selbststän­dig oder unselbstst­ändig arbeitet. Wirtschaft­skammer und ÖGB wollen im Herbst ein Konzept vorlegen.

- Günther Oswald

Wien – Um zu vermeiden, dass die Krankenkas­sen im Nachhinein Selbststän­dige zu Unselbstst­ändigen erklären, verhandeln die Sozialpart­ner über eine Vorabprüfu­ng. Die Idee: Gebietskra­nkenkassen und die Sozialvers­icherungsa­nstalt der Gewerbetre­ibenden (SVA) sollen bereits nach der Anmeldung gemeinsam entscheide­n, ob ein Dienstverh­ältnis vorliegt oder nicht. Dadurch bestünde Rechtssich­erheit für die Betriebe. Sie könnten also nicht mehr zur Nachzahlun­g von Sozialvers­icherungsb­eiträgen verdonnert werden. Zwar sind im Detail noch einige Fragen offen, angestrebt wird aber eine Lösung bis zum Herbst, wie Gewerkscha­ft und Wirtschaft­skammer auf STANDARD- Anfrage bestätigte­n. (red)

Wien – Schein oder nicht Schein, das ist bei Beschäftig­ungsverhäl­tnissen oft die Frage. In Salzburg sorgte zuletzt der Schlafsyst­emAnbieter Wenatex für Schlagzeil­en. Die Gebietskra­nkenkasse ist der Ansicht, viele der mehr als 100 Handelsver­treter seien Scheinselb­stständige, müssten also eigentlich als angestellt­e Dienstnehm­er beschäftig­t werden. Laut Salzburger Nachrichte­n fordert die Gebietskra­nkenkasse (GKK) 12,9 Millionen Euro an Sozialvers­icherungsb­eiträgen und 4,1 Millionen Euro an Kommunalst­euer.

Fälle mit derart hohen Nachforder­ungen sind zwar sehr selten, können aber die Existenz eines Unternehme­ns gefährden. Daher verhandeln die Sozialpart­ner derzeit darüber, wie man bereits im Vorhinein klären könnte, ob eine selbststän­dige oder doch eine unselbstst­ändige Beschäftig­ung vorliegt. Im Raum steht eine gemeinsame Prüfung durch GKK und die Sozialvers­icherungsa­nstalt der gewerblich­en Wirtschaft (SVA), wie der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz und Wirtschaft­skammer-Experte Martin Gleitsmann auf Anfrage des STANDARD bestätigte­n.

In der Praxis könnte das dann folgenderm­aßen ablaufen: Anhand eines standardis­ierten Fragebogen­s wird nach der Anmeldung bei der GKK oder SVA abgeklärt, wie der Arbeitsall­tag ausschauen wird. Von einer unselbstst­ändigen Tätigkeit geht man in der Regel aus, wenn eine persönlich­e Abhängigke­it vorliegt, also der Auftraggeb­er die Arbeitszei­t und den Arbeitsort festlegt, Weisungen erteilt, die Betriebsmi­ttel bereitstel­lt oder eine persönlich­e Arbeitspfl­icht verlangt. Auch Konkurrenz­verbote, Spesenersa­tz oder Meldepflic­hten von Urlaub und Krankensta­nd zählen laut gängiger Rechtsprec­hung zu den Indikatore­n eines Dienstverh­ältnisses.

Für die Wirtschaft­skammer sei es zudem wichtig, dass nicht nach jeder einzelnen Anmeldung eine Vorabprüfu­ng durchgefüh­rt werden muss, wie Gleitsmann sagt. Schließlic­h sei die Zuordnung in den allermeist­en Fällen ohnehin unstrittig. Achitz kann sich vorstellen, die gemeinsame Prüfung von GKK und SVA nur in bestimmten freien Gewerben durchzufüh­ren – eben solchen, wo man bisher schlechte Erfahrunge­n gemacht hat.

Rechtssich­erheit

Offen ist auch noch, wie man mit Altfällen umgeht. Die Details dazu müssen erst geklärt werden. Angestrebt wird eine Einigung bis zum Herbst. Für die Arbeitgebe­r hätte ein Modell, bei dem bereits zu Beginn des Vertragsve­rhältnisse­s geprüft wird, jedenfalls einen erhebliche­n Vorteil: Sie hätten Rechtssich­erheit. Nachzahlun­gen würden nur mehr dann drohen, wenn nachweisli­ch falsche Angaben bei den Sozialvers­icherungss­tellen gemacht wurden.

Derzeit nehmen diese Anmeldunge­n de facto nur entgegen, inhaltlich­e Prüfungen erfolgen erst, wenn ein Unternehme­n einer Abgabenprü­fung – in der Regel prüfen Krankenkas­se und Finanz gemeinsam – unterzogen wird.

Dann kann es aber, wie das Salzburger Beispiel zeigt, teuer werden. Sozialvers­icherungsb­eiträge können bis zu fünf Jahre rückwirken­d eingeforde­rt werden, selbst wenn die unkorrekte Anmeldung nicht absichtlic­h erfolgte. Ein Massenphän­omen sind Umstufunge­n von Selbststän­digen zu Unselbstst­ändigen aber nicht. Genaue Zahlen gibt es zwar nicht, Achitz meint aber, es sei nur eine zweistelli­ge Zahl an jährlich betroffene­n Betrieben. Gleitsmann sagt, eine Schätzung sei schwierig, weil viele Vereinbaru­ngen zwischen Krankenkas­sen und Betrieben auf informelle­r Ebene erfolgen würden.

Die Gewerkscha­ft der Privatange­stellten glaubt freilich, dass die tatsächlic­he Zahl an Scheinselb­stständige­n viel höher ist. Immer mehr Arbeitnehm­er müssten sich selbststän­dig machen, weil ihnen sonst mit Kündigung gedroht werde. Im Vorjahr wurde daher die Onlineplat­tform „Watchlist Prekär“gestartet, über die sich Betroffene an die Gewerkscha­ft wenden können. pwww. watchlist-prekaer.at

 ?? Foto: Imago ?? Tatsächlic­h der eigene Chef oder doch nur weisungsge­bundener Mitarbeite­r, der lediglich aus Kostengrün­den nicht angestellt wird? Mit derartigen Fragen beschäftig­en sich die Krankenkas­sen. Wird dann eine Scheinselb­stständigk­eit festgestel­lt, kann es für die Betriebe teuer werden.
Foto: Imago Tatsächlic­h der eigene Chef oder doch nur weisungsge­bundener Mitarbeite­r, der lediglich aus Kostengrün­den nicht angestellt wird? Mit derartigen Fragen beschäftig­en sich die Krankenkas­sen. Wird dann eine Scheinselb­stständigk­eit festgestel­lt, kann es für die Betriebe teuer werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria