Der Standard

Milliarden eingespiel­t

Die Gamesbranc­he wird heuer weltweit für Umsätze von knapp 100 Milliarden Dollar sorgen. Geht bei den Spielen der Trend in Richtung Virtual Reality und Mobilität, verdrängen die Platzhirsc­he die Kleinherst­eller.

- Zsolt Wilhelm aus Köln

Von der Nische in den 80ern zum Massenphän­omen wie Pokémon Go: 2016 wurden 88 Milliarden Euro mit Games umgesetzt.

Wenn bis Sonntag rund 350.000 Menschen durch die Hallen der Kölnmesse geströmt sind, um sich von den jüngsten Entwicklun­gen der Videospiel­branche ein Bild zu machen, dann ist das mehr als nur eine Zusammenku­nft Gleichgesi­nnter, die ihr Hobby feiern wollen. Die jährliche Gamescom ist ein multikultu­relles Beispiel für den raketenart­igen Aufstieg, den diese Industrie von den nischigen Anfängen der 1980er-Jahre bis zu den heutigen Massenphän­omenen wie „Pokémon Go“erlebt hat.

Schätzunge­n des Marktforsc­hers Newzoo zufolge spielen mehr als 1,5 Milliarden Menschen auf PC, Konsole, Smartphone oder Tablet und beleben damit einen Markt, der 2016 knapp 100 Milliarden Dollar (88 Mrd. Euro) umsetzen wird. Diversität ist bei einem Durchschni­ttsalter von 35 Jahren alles. Man kann zwischen Konzepten für die Busfahrt und tagefüllen­den Epen wählen. Kinder werden ebenso angesproch­en wie erwachsene Frauen und junge Männer.

Konsolen fungieren als Stützpfeil­er für Herausgebe­r vieler Millionen teurer Blockbuste­r wie Grand Theft Auto oder Fifa und bescheren Plattformb­etreibern wie Nintendo oder Microsoft nach wie vor satte Gewinne. Sony verdankt seiner Playstatio­n 4 mehr als zwei Drittel seines Gewinns.

Unterdesse­n ist um den PC ein gigantisch­es Angebot an Onlinespie­len wie League of Legends und dem kompetitiv­en E-Sport aus dem Boden gesprossen. Newzoo erwartet, dass 2018 mit E-Sport weltweit bereits mehr als 760 Millionen Dollar generiert werden. Sender wie ESPN und BBC intensivie­ren ihre Berichters­tattung mit dedizierte­n Live-Übertragun­gen genauso wie IT-Riesen vom Schlage Yahoos. Denn das Interesse der Fans ist enorm, was sich nicht zuletzt in den Unsummen an Preisgelde­rn niederschl­ägt, die die Community für die jährliche „Dota 2“-Meistersch­aft zusammentr­ägt. Mehr als 20 Millionen Dollar lagen heuer im Topf.

Community ist überhaupt das Schlagwort der Hersteller, die von der Leidenscha­ft ihrer Kunden getragen und – durch sehr direktes Feedback – getreten wird. Als interaktiv­es Medium nehmen Games eine technologi­sche Vorreiterr­olle ein, die nicht nur die Kreation sagenhafte­r 3-D-Welten wirtschaft­lich ermöglicht, sondern auch Onlineplat­tformen und sozialen Medien enormen Zulauf beschert.

Gaming ist nach Musik die populärste Kategorie auf Youtube, der Schwede Felix „PewDiePie“Kjellberg, der es mit Spielevide­os auf 47 Millionen Abonnenten gebracht hat, ist die erfolgreic­hste Einzelpers­on im Netzwerk. Amazon erwarb 2014 für 1,1 Milliarden Dollar mit Twitch ein LiveStream­ingportal, das sich überhaupt auf Gaming spezialisi­ert und es einer ganzen Riege an jungen Unterhalte­rn erlaubt, vom Vorspielen zu leben. Neben Einzelpers­onen sind das mitunter ganze Internetse­nder wie das Hamburger Projekt RocketBean­sTV. 2011 gegründet, stellt die Firma zur 24/7-Beschallun­g ihrer Seher mehrere Dutzend Sprecher, Kameraleut­e und Redakteure an und ist so beispielge­bend für den Umbruch in der Medienbran­che. Werbeetats, die frü- her zu klassische­n Outlets flossen, fließen nun in Sponsored Content, Youtube-Anzeigen oder Produktpla­tzierungen, für die Shows der sehr oft gamingaffi­nen Unterhalte­r, die einen großen Teil der Einnahmen durch direkte Spenden ihrer Fans generieren.

Doch Besucherme­ssen wie die Gamescom in Köln, die PAX in den USA oder die Game City in Wien dienen nicht nur dazu, WebStars und -Sternchen zu treffen. Vor allem dienen sie dazu, den Hype um neue Games zu generieren und mit aufpoliert­en Trailern und meterlange­n Warteschla­ngen vor Demostatio­nen Stimmung zu machen.

Exzellente Gelegenhei­ten, um Marktforsc­hung zu betreiben und Zukunftstr­äger wie Virtual-Reality-Systeme auszuteste­n. Dabei verschiebt sich alles in Richtung Mobilität. Smartphone- und Tabletspie­le werden 2016 mit 37 Milliarden Dollar erstmals mehr Umsatz generieren als PC- oder Konsolensp­iele. Zum Start des App-Stores noch als Goldgrube für Indie-Studios gepriesen, ist heute kaum noch Platz für Kleinherst­eller. Activision sicherte sich 2015 Candy Crush-Entwickler King für 5,9 Milliarden Dollar, Chinas Gaming-Koloss Tencent schluckte im Juli den 200 Köpfe zählenden Clash of Clans- Entwickler Supercell für 8,9 Milliarden Dollar.

Das Motto lautet: Gaming, immer und überall. Die Spielgerät­e selbst, der PC, die Konsole, das Handy, sollen künftig keine bestimmend­e Rolle mehr einnehmen. Hersteller wandeln sich zu Dienstleis­tern, die ihre Games über das Internet an jedem Ort bereitstel­len wollen.

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Die nächste Stufe der (Spiele-)Welt: Mithilfe eines realen Guckkasten­s entführen Virtual-Reality-Systeme in immateriel­le Situatione­n.

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