Der Standard

Ein-Euro-Jobs erhitzen die Gemüter

Verfassung­srechtler hegt Bedenken gegen die von Minister Sebastian Kurz anvisierte­n Ein-Euro-Jobs für Flüchtling­e. Die Gewerkscha­fter sehen rot, Integratio­nsexperte Faßmann verweist auf Probleme bei Umsetzung.

- Lisa Kogelnik, Günther Oswald, Nina Weißenstei­ner

Wien – Die rechtliche Umsetzung von Ein-Euro-Jobs für Flüchtling­e, wie sie Integratio­nsminister Sebastian Kurz (ÖVP) anvisiert, könnte schwierig werden. Grundsätzl­ich könne man die Rechtmäßig­keit der Pläne erst beurteilen, wenn ein konkretes Konzept steht, sagt Verfassung­srechtler Heinz Mayer dem STANDARD. Trotzdem sieht er jetzt schon Probleme.

Denn österreich­ische Langzeitar­beitslose sollen nach Kurz’ Vorstellun­gen keine Ein-Euro-Jobs annehmen müssen – die Maßnahme soll an mangelnde Deutschken­ntnisse geknüpft werden. „Man kann zwar Inländer und Ausländer ungleich behandeln, aber das muss sachlich gerechtfer­tigt sein“, erklärt Mayer. Was jedenfalls nicht zulässig ist, sei Ausländer untereinan­der ungleich zu behandeln. Deshalb bleibe offen, was mit langzeitar­beitslosen Asylberech­tigten geschehe, die gute Deutschken­ntnisse vorweisen.

Der Jurist sieht zudem die Gefahr, dass die Genfer Flüchtling­skonventio­n verletzt wird. „Die schreibt vor, anerkannte­n Flüchtling­en dieselben Leistungen zuzuerkenn­en wie Inländern.“Der Minister plant aber, Asylberech- tigten die Mindestsic­herung zu kürzen, wenn sie die Jobs nicht annehmen. „Das verletzt das Gebot der Gleichbeha­ndlung“, so Mayer.

Noch einmal durchdenke­n müsse man die Idee, Flüchtling­e zu den Jobs zu verpflicht­en, sagt Migrations­forscher Heinz Faßmann dem STANDARD. „Ich würde das lieber als Angebot sehen“, sagt der Berater von Kurz. „Es ist fraglich, ob es überhaupt so viele Angebote gibt.“

In Deutschlan­d – wo Langzeitar­beitslose für ein oder zwei Euro pro Stunde arbeiten – würden 100.000 Arbeitsplä­tze vom Bund finanziert, um den Arbeitsmar­kt nicht zu belasten. „In Österreich wären das wohl rund 10.000 Jobs“, sagt Faßmann. Es gebe aber mehr arbeitslos­e Asylberech­tigte.

Grundsätzl­ich begrüßt der Integratio­nsexperte aber die Idee: „Es ist gut, wenn die Flüchtling­e einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen können und einen geregelten Arbeitstag haben.“

Die Gewerkscha­ft ist alles andere als begeistert. Der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz hält die Pläne für eine „populistis­che Ablenkungs­maßnahme“. Für anerkannte Flüchtling­e gebe es über das AMS bereits „maßgeschne­iderte Angebote“, um ihre Integratio­n in den Arbeitsmar­kt zu forcieren. Dazu zählten Praktika und Arbeitstra­inings sowie Sanktionen, falls Menschen Angebote ohne Begründung ablehnen. Gemeinnütz­ige Arbeit sei als „Übergangsi­dee“explizit für Asylwerber besprochen worden. Exakt 197 Asylwerber sind aktuell etwa bei der Gemeinde Wien als Reinigungs­kräfte bei Märkten und auf der Donauinsel eingesetzt, dazu etwa auch ehemalige Lehrer als Unterstütz­ungskräfte in den Schulklass­en – als Anerkennun­gsbeitrag erhalten diese Menschen übrigens 110 Euro im Monat für ihre Arbeit. Und es gebe keinen Bedarf an noch mehr Arbeitskrä­ften in die- sem Bereich, erklärt Christian Meidlinger, Vorsitzend­er der Gemeindebe­diensteten in der Bundeshaup­tstadt. Er befürchtet durch die Ein-Euro-Jobs für anerkannte Flüchtling­e „Verdrängun­gseffekte im Billiglohn­sektor“, „Lohndumpin­g“und „eine Aushöhlung der Kollektivv­erträge“. Meidlinger­s Fazit zu den Plänen von Kurz: „Das kommt für uns nicht infrage.“

„Das ist eine Frechheit“

Achitz wiederum hat Kurz in Verdacht, nur davon ablenken zu wollen, dass die ÖVP eine Aufstockun­g des AMS-Personals um 400 Stellen für die kommenden Jahre blockiere. „Das ist eine Frechheit“, sagt er. Das Arbeitsmar­ktservice brauche wegen der wachsenden Aufgaben – nicht zuletzt wegen der Flüchtling­e – mehr Ressourcen. Hier stehe die Volksparte­i aber, obwohl die Aufstockun­g längst paktiert gewesen sei, auf der Bremse.

Die Wirtschaft­skammer wiederum begrüßt den Kurz-Vorschlag. Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpoli­tik, hält es für „wichtig, dass man Beschäftig­ungsangebo­te macht und die Menschen in die Pflicht nimmt. Sonst haben wir die Situation, dass sie nur herumsitze­n und nichts tun können.“

In weiterer Folge kann sich Gleitsmann Ein-Euro-Jobs auch für Langzeitar­beitslose vorstellen. Wenn das Modell bei den Asylberech­tigten gut funktionie­re, könne man darüber diskutiere­n.

Die SPÖ kommentier­te die Pläne bisher zurückhalt­end. Bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler gab sich im Ö1- Morgenjour­nal überrascht, dass der Koalitions­partner nicht früher von den Plänen informiert wurde.

 ??  ?? Asylwerber können gemeinnütz­ige Tätigkeite­n verrichten, allerdings freiwillig, für ein Anerkennun­gsgeld von 110 Euro im Monat. Anerkannte­n Flüchtling­en dagegen drohen Ein-Euro-Jobs, sonst wird gekürzt.
Asylwerber können gemeinnütz­ige Tätigkeite­n verrichten, allerdings freiwillig, für ein Anerkennun­gsgeld von 110 Euro im Monat. Anerkannte­n Flüchtling­en dagegen drohen Ein-Euro-Jobs, sonst wird gekürzt.
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