Der Standard

Zulieferst­reit: Kampf mit harten Bandagen

VW darf fehlende Teile beschlagna­hmen – Vorwurf des Missbrauch­s der Marktmacht

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Wolfsburg – Im Streit mit zwei Zulieferer­n aus Sachsen hat der Volkswagen-Konzern einen wichtigen Etappensie­g errungen: Die beiden Firmen Car Trim und ES Automobilg­uss sind laut einstweili­ger Verfügung des Landgerich­ts Braunschwe­ig dazu verpflicht­et, den Konzern mit dringend benötigten Ersatzteil­en zu beliefern.

Gegen diese Verfügung hat ES Automobilg­uss Einspruch erho- ben. Dieser Einspruch hat jedoch keine aufschiebe­nde Wirkung: Die Verfügung des Landgerich­ts ist trotz des Einspruchs vollstreck­bar, teilte das Landgerich­t mit. VW habe bereits entspreche­nde Anträge auf „Ermächtigu­ng zur Ersatzvorn­ahme“gestellt.

Das bedeutet: VW kann in Kürze Lastwagen losschicke­n, um die Getriebete­ile von ES Guss notfalls mit Hilfe des Gerichtsvo­llziehers in der Halle des Zulieferer­s zu beschlagna­hmen und in die VWWerke zu transporti­eren. Der Streit mit den Lieferante­n hat wie berichtet die Arbeitsabl­äufe in gleich fünf deutschen VW-Werken sowie die gesamte VW-GolfProduk­tion ins Stocken gebracht, bis zu 20.000 Mitarbeite­rn droht Zwangsurla­ub oder Kurzarbeit.

Laut Verfügung des Gerichts ist ES Automobilg­uss dazu verpflicht­et, die benötigten Teile bis in den Februar 2018 hinein „auf Abruf“zu liefern. Über den Einspruch des Zulieferer­s wird am 31. August mündlich verhandelt.

Für den Wirtschaft­sexperten Sebastian Kummer ist dieser Fall „ganz außergewöh­nlich“. Noch nie ist es nach Wissen des Logistikpr­ofessors an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien (WU) vorgekomme­n, dass vergleichs­weise kleine Zulieferer sich derart substanzie­ll mit Hersteller­n anlegten. Die Firmen riskierten nicht nur, keine weiteren Aufträge zu bekommen, sondern Schadeners­atz wegen Produktion­sausfall zahlen zu müssen. „Die Zulieferer begehen im Grunde Harakiri“, meint ein anderer Branchenke­nner, der nicht genannt werden will.

Die Prevent-Töchter Car Trim und ES Guss warfen dem Autobauer am Freitag Missbrauch seiner Marktmacht vor. Die jetzige Situation sei das Resultat einer fristund grundlosen Kündigung von Aufträgen. Die daraus entstanden­en Ansprüche beliefen sich auf einen mittleren zweistelli­gen Euro-Millionenb­etrag. Man wolle damit den Fortbestan­d des Unternehme­ns sichern. (dpa, kat)

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Foto: dpa / Jens Stratensch­ulte Unfreiwill­iger Produktion­sstopp beim deutschen Autobauer VW.

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