„Water- Gate“, eine „bsoffene Gschicht“
Schwer pubertäres Verhalten von vier Schwimmern aus den USA sorgt in Brasilien für Verstimmung. Die Olympioniken Ryan Lochte, Gunnar Bentz, Jack Conger und James Feigen haben mit dem ersten Thema Kriminalität Schindluder getrieben und gelogen.
Rio de Janeiro – Es war alles gelogen. Ein neues Video und weitere Zeugenaussagen brachten endgültig Licht ins Dunkel von „Water-Gate“, der Affäre um vier Schwimmer aus den USA, die in Rio de Janeiro nicht wie behauptet Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls geworden waren.
Die Polizei von Rio zog einen vorläufigen Schlussstrich unter die Posse, die durch die Verwicklung des sechsfachen Olympioniken Ryan Lochte an Brisanz gewonnen hatte. „Es gab keinen Raubüberfall“, sagte der leitende Ermittler Fernando Veloso. Die Schwimmer hätten dagegen „Vandalismus-Handlungen begangen“. Schlimmer wiege, dass die Bürger Rios erleben mussten, „wie der Name ihrer Stadt durch eine Lügengeschichte beschmutzt wurde. Es wäre angemessen, um Entschuldigung zu bitten. Das ist bis jetzt nicht passiert.“Stunden nach Velosos Anklage reagierte das Olympiakomitee der USA, bestätigte den Vorfall und bat die Gastgeberstadt und „die Menschen in Brasilien“um Verzeihung.
Videos und Zeugenaussagen haben die Erzählungen der Schwimmer als Räuberpistole entlarvt. Lochte (32), Gunnar Bentz (20), Jack Conger (21) und James Feigen (26), allesamt Staffelolympioniken in Rio, hatten in der Toilette einer Tankstelle randaliert. Der Besitzer sagte aus, die Amerikaner seien zuvor aus dem Auto gestiegen und urinierend an der Gebäudewand entlanggegangen.
Von einem Sicherheitsbeamten gestellt, wollte das Quartett flüchten, woraufhin der Wachmann seine Waffe zog. Daraufhin beglichen Lochte und Kollegen den Schaden – mit umgerechnet 45 Euro. Danach durften sie gehen.
Vor allem Lochte hatte mehrere Versionen präsentiert, die letzten Anpassungen nahm er am Mittwoch in einem Telefongespräch mit dem Sender NBC vor. Ihm sei doch keine Waffe an den Kopf gehalten, sie sei nur auf ihn gerichtet worden. Durchgeführt hätten die Aktion als Polizisten verkleidete Gangster.
Lochte hatte Brasilien bereits am Dienstag verlassen. Ihn soll das FBI verhören. Am Freitag entschuldigte sich der Star via Twitter: „Ich übernehme die Verantwortung für meine Rolle und habe meine Lektion gelernt.“Es sei traumatisch gewesen, „sich einem Fremden mit einer Waffe gegenüber zu sehen, der Geld will, um dich gehen zu lassen“.
„Bentz und Conger, die unmittelbar vor ihrem Rückflug aus dem Flugzeug heraus in Gewahrsam genommen worden waren, wurden wieder auf freien Fuß gesetzt, erhielten ihre Pässe zurück und sind in ihre Heimat zurückgekehrt. Feigen legte unterdessen ein „überarbeitetes“Protokoll seiner bisherigen Angaben zu den Ereignissen vor, „in der Hoffnung, so bald wie möglich seinen Pass zurückzuerhalten“. Für falsche Angaben in einem Polizeibericht droht in Brasilien bis zu einem halben Jahr Haft.
Am Freitag verkündete Feigens Anwalt Breno Melaragno schließlich, dass sein Mandant einer nicht näher genannten Organisation 35.000 Real, also rund 9500 Euro, spenden werde. „Wenn das abgeschlossen ist, erhält er seinen Pass und kann nach Hause zurückkehren.“
Haltet-den-Dieb-Strategie
Die Behörden wollten vor allem Lochte und Feigen noch einmal anhören. „Die brasilianischen Behörden wollen jetzt nur ihr Gesicht wahren, nachdem sie zugelassen haben, dass sich der ganze Vorfall zu einem Zirkus entwickelt hat“, sagte Lochtes Anwalt Jeff Ostrow, die beliebte Haltetden-Dieb-Strategie bemühend.
Polizei und Staatsanwaltschaft sahen die Sache schon anders. Sie reagieren äußerst sensibel, weil das Thema Gewalt die Spiele ohnehin im Griff hat. Ein Schuss auf das Pressezelt der Reiter in Deodoro, ein Pressebus, der beschossen oder angeblich doch nur von Rowdies mit Steinen beworfen worden war – Vorfälle wie diese produzierten genug Negativschlagzeilen. Da brauchte es weder die lustige Lochte-Gang noch jene beiden australischen Schwimmer, die durch eine ähnliche Überfallsstory einen unerlaubten Streifzug durch Rios Nachtleben verschleiern wollten und jetzt – so schade – nicht zur Schlussfeier der Spiele dürfen. (sid, lü)