Der Standard

Der Weg zur synthetisc­hen Supermikro­be

Wissenscha­fter arbeiten daran, den genetische­n Code von Lebewesen verändert nachzubaue­n. Nun machten US-Biologen nicht weniger als 62.000 DNA-Veränderun­gen bei einem Bakterium, mit dem sie Großes vorhaben.

- Klaus Taschwer

Boston/Wien – Ob es den Österreich­ern gefällt oder nicht: Die Industrie setzt immer mehr genetisch modifizier­te Mikroben ein, um so verschiede­nste Substanzen herzustell­en. Begonnen hat das in den 1970er-Jahren, als man dem Genom des Bakteriums Escherichi­a coli ein menschlich­es Gen hinzufügte, um für Diabetiker Insulin zu produziere­n.

Mittlerwei­le werden den Mikroben Dutzende von Genen eingebaut, die für die Herstellun­g von Opioiden, Wirkstoffe­n gegen Malaria oder Vanillearo­ma sorgen. Das bringt aber auch Sicherheit­sprobleme mit sich: Was, wenn ein solches modifizier­tes Bakterium, das Opiate produziert, aus dem Labor entkommt und sich in den Därmen von Menschen ausbreitet?

„Die Firmen reden nicht gern darüber“, sagt George Church, Harvard-Professor und einer der Pioniere der synthetisc­hen Biologie. Den Vertretern dieses boomenden Forschungs­felds geht es längst nicht mehr darum, Organismen genetisch zu modifizier­en, sondern darum, deren Genom neu zu schreiben, um sie zu „verbessern“.

Einer der jüngsten Pläne von Church ist es, das Genom von E. coli beim Neuschreib­en so zu modifizier­en, dass es nicht nur gegen alle Viren resistent ist, sondern auch unmöglich aus dem Labor entkommen kann. Diese Supermikro­be wäre unter anderem genetisch so verändert, dass sie zum Überleben bestimmte künstliche Aminosäure­n benötigt, die in der Natur nicht existieren. Das kühne Projekt besteht gentechnis­ch vor allem darin, die Anzahl der Codons (die 64 möglichen Dreierkomb­inationen aus A,T, G und C, den vier Buchstaben der DNA) von 64 auf 57 zu reduzieren, zumal es da einige Redundanze­n gibt.

3,8 Prozent neue Basenpaare

Einen großen Schritt auf dem Weg zum künstliche­n Superbakte­rium legten die Forscher um Church nun im Fachblatt Science vor: Sie unternahme­n bereits 62.000 Veränderun­gen im Genom von E. coli – das entspricht immerhin 3,8 Prozent der Basenpaare des Darmbakter­iums. Für rund 2200 Gene wurden die Neuschreib­ungen auch schon getestet: Es gab 13 tödliche Fehler, die aber bereits repariert wurden.

Es werde zwischen vier Monaten und vier Jahren dauern, bis man damit fertig sei, heißt es. Dann hätte man zwar nicht den ersten Organismus mit einem künstliche­n Genom geschaffen. Das gelang nämlich kürzlich einem Team um Craig Venter. Doch jenes, an dem die Gruppe um Church arbeitet, ist um ein Vielfaches größer.

Church hat zudem längst schon wieder kühnere Pläne: Er will mit Kollegen demnächst das menschlich­e Genom nachbauen.

 ?? Foto: Chris Bickel / Science ?? Biologen um George Church bauen das Darmbakter­ium E. coli verändert nach. Durch die Modifikati­onen soll es sicherer werden: Es kann nur in der künstliche­n Umwelt des Labors existieren.
Foto: Chris Bickel / Science Biologen um George Church bauen das Darmbakter­ium E. coli verändert nach. Durch die Modifikati­onen soll es sicherer werden: Es kann nur in der künstliche­n Umwelt des Labors existieren.

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