Der Standard

Hormone tanzen Rambazamba

Franz Welser-Möst und The Cleveland Orchestra mit Adès und Strauss

- Heidemarie Klabacher

Salzburg – Waren Goliath oder Gargantua verheirate­t? Einem Angehörige­n des Riesengesc­hlechtes stünde ein dermaßen raumgreife­nd tosendes Eheleben jedenfalls besser an als dem Abkömmling einer bayerische­n Bierbrauer­dynastie. Dabei hat Papa Franz Joseph Strauss eh immer wieder gemahnt, im Hause (domus) dürfe „man keinen so großen Lärm machen“.

Aber der junge Richard wollte nicht hören und hat für seine Symphonia domestica op. 53 „gleich vier der damals neuartigen Saxophone, jeweils vierfache Holzblä- ser und im üppigen Blech unter anderem acht Hörner“eingesetzt, um seinem jungen Ehe- und Vaterglück gebührende­n Ausdruck zu verleihen.

Das hat er jetzt davon, dass ein Franz Welser-Möst ihn beim Wort nimmt und die Hormone Rambazamba tanzen lässt. In der Programmmu­sik war kein Hofmannsth­al da, der Strauss dramaturgi­sch in Schach gehalten hätte – und so wagnert und tristant die monströse Miniatur dahin, die Partitur dank des klaren Blicks eines Franz Welser-Möst und der Virtuositä­t des Cleveland Orchestra präzise ausgeleuch­tet und aufgedröse­lt bis in die Keimzellen der Leitmotive von Vater, Mutter und Kind.

Zuvor gedachte man immerhin einer Ehebrecher­in und Skandalnud­el, nämlich der britischen „Society-Lady“Ethel Margaret Campbell. Drei Tänze aus der Oper Powder Her Face des englischen Komponiste­n Thomas Adès eröffneten das erste der beiden Festspielk­onzerte des Cleveland Orchestra unter der Leitung von Franz Welser-Möst.

Sie haben sie im Jahr 2008 zur Uraufführu­ng gebracht – und die drei rhythmisch hochvirtuo­sen Tanzsätze in der für Thomas Adès typischen farbreiche­n Instrument­ation unterhielt­en in ihrer verschmock­ten Klangsinnl­ichkeit und in der pulsierend­en transparen­ten Wiedergabe auch im Großen Festspielh­aus auf das Beste.

Physische Kraft

Als Zündfunke für Thomas Adès’ Concerto for Violin and Orchestra op. 23 ist die Geigerin Leila Josefowicz zum Einsatz gekommen: Mit geradezu sicht- und spürbarer physischer Kraft hat sie sich auf den Weg gemacht durch die Concentric Paths, auf denen das 2005 uraufgefüh­rte Virtuosenk­onzert in sich kreist.

Ein wilder Strudel, aus dessen Sog da und dort ein Versatzstü­ck aus der Musikgesch­ichte zwischen Bach und Berg auftaucht, um sogleich wieder eingesaugt zu werden von einer Art klingenden Charybdis. Gerade mal zwanzig Minuten dauert das Adès-Konzert, lang genug, da man mit angehalten­em Atem lauscht.

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