Der Standard

Ein-Euro-Jobs: System kontra Niveau

Ein zweiter Arbeitsmar­kt für Flüchtling­e wäre durchaus sinnvoll

- Wolfgang Mazal WOLFGANG MAZAL (56) ist Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrech­t an der Uni Wien.

Dass für die Integratio­n der Schutzsuch­enden die Beteiligun­g am Arbeitsmar­kt essenziell ist, ist Allgemeing­ut; den meisten ist mittlerwei­le allerdings auch klar, dass die Mehrzahl dieser Menschen nicht sofort einsetzbar ist und nicht die üblichen Entgelte erzielen kann, zumal Jobs für die „Stammbeleg­schaft der Republik“ja auch knapp sind. Hier treffen sich Probleme der Integratio­n mit der allgemeine­n Beschäftig­ungsproble­matik, insbesonde­re für Bezieher bedarfsori­entierter Mindestsic­herung (BMS).

Unter diesem Blickwinke­l ist es notwendig, neue Jobs zu schaffen. Da jedoch nicht ersichtlic­h ist, wie diese Menschen mit zum Teil hohem Schulungsb­edarf kurzfristi­g durch die im globalen Wettbewerb stehenden Wirtschaft­sunternehm­en in den ersten Arbeitsmar­kt integriert werden können, sollten diese Arbeitsplä­tze vorrangig durch Gebietskör­perschafte­n im Rahmen ihrer Kompetenze­n geschaffen werden und sollte der zweite Arbeitsmar­kt ausgebaut werden.

Hier können durch Tätigkeite­n im öffentlich­en Interesse Beschäftig­ungspotenz­iale genutzt werden, die Schutzsuch­enden nicht dem Druck des ersten Arbeitsmar­ktes aussetzen, ihnen aber sukzessive ein „Hineinwach­sen“in die österreich­ische Lebenswelt und Arbeitskul­tur ermögliche­n. Weil hier kleinteili­ge und individuel­le Lösungen sinnvoll sind, die der jeweiligen persönlich­en Situation Rechnung tragen, eignen sich vorrangig der Landes- und der Gemeindebe­reich dazu. In Zusammenar­beit mit AMS und Sozialpart­nern können einerseits jene Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten identifizi­ert werden, die über den ersten Arbeitsmar­kt nicht bedient werden können, und anderersei­ts die Arbeitssuc­hende mit individuel­len Schulungsm­aßnahmen begleitet werden.

Bitter notwendig

Dass im systemisch­en Zusammensp­iel mit öffentlich­er Hand und AMS auch jene integratio­nsfördernd­en Jobs entstehen können, die bitter notwendig sind, haben Entwicklun­gen anderswo gezeigt, nicht zuletzt Deutschlan­d mit den Ein-Euro-Jobs.

Von der Systemfrag­e völlig zu trennen ist die Frage, wie hoch die Bezahlung ist: Aus meiner Sicht haben sowohl die Länder als auch das AMS klare Interessen, dass diese Form der Beschäftig­ung positiv angenommen wird, weil die Einkünfte die Leistungen aus der BMS reduzieren würden. Es besteht daher kein Grund, in der Höhe der Leistung knausrig zu sein. Soweit es allerdings um Jobs im Landes- und Gemeindebe­reich geht und Länder und Gemeinden ohnedies durch die BMS belastet sind, könnten sie ohne weiteres deutlich über das Niveau der EinEuro-Jobs hinausgehe­n: Jeder Euro, der ausgegeben wird, reduziert die Ausgaben der BMS, erhöht aber die Wahrschein­lichkeit, dass über diese Jobs Integratio­n gelingt!

Und wenn die Höhe der Entlohnung nicht unwürdig ist, kann man auch verlangen, dass diese Jobs gerade auch von Schutzsuch­enden angenommen werden – wer sich integriere­n will, wird gerne eine Stelle annehmen, zumal ein Entgelt bis zur Höhe der BMS aufgestock­t werden kann.

Letztlich müssen über die Höhe des Entgelts jene entscheide­n, die die Jobs für BMS-Bezieher schaffen – für In- und Ausländer gleicherma­ßen: Es ist ein Fortschrit­t im System, wenn ein zweiter Arbeitsmar­kt für alle BMS-Bezieher ausgebaut wird; dass der Anstoß dazu von Minister Kurz kommt, ist verdienstv­oll. Das Niveau des Entgelts aus der Bezeichnun­g Ein-Euro-Job abzuleiten und zu begrenzen wäre falsch.

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