Der Standard

Woran Rio nichts ändert

Österreich­s Sportpflän­zchen gedeiht leicht an der Spitze, doch die Wurzel verdorrt

- Fritz Neumann

Den Namen Sarah Lagger sollte man sich merken. Sarah Lagger ist ein Mädchen aus Brodbrente­n, einem kleinen Dorf bei Spittal an der Drau in Oberkärnte­n, und sie ist Leichtathl­etin. Heuer wurde sie Unter-20-Weltmeiste­rin im Siebenkamp­f, als 16-Jährige, dieser Erfolg ist kaum hoch genug einzuschät­zen. Zuletzt war sie mit ihrer Mutter einige Tage bei den Olympische­n Spielen in Rio, zum Schnuppern. Gute Idee. Sarah hat sich alles angesehen, kennt jetzt die Dimensione­n, kennt die Abläufe. Das hilft ihr, wenn sie 2020 in Tokio selbst antritt.

Nicht überall im österreich­ischen Sport wird derart vorausblic­kend gearbeitet. Nach der Medaillen-Nullnummer bei den Spielen 2012 in London wurde husch, husch das „Projekt Rio“ins Leben gerufen. Die Idee hatte Norbert Darabos, die Präsentati­on übernahm Gerald Klug, die Bilanzieru­ng obliegt Hans Peter Doskozil. Drei Sportminis­ter, eine Olympiade, auch das sagt einiges aus.

20 zusätzlich­e Millionen Euro an öffentlich­en Geldern flossen in diesen vier Jahren in den Spitzenspo­rt. Herausgeko­mmen sind eine Bronzemeda­ille und etliche gute Platzierun­gen auch junger Sportlerin­nen und Sportler, die zu Hoffnungen Anlass geben. In einem Nationenra­nking, das nicht nur Medaillen, sondern sämtliche Top-Ten-Resultate berücksich­tigt, dürfte Österreich um Rang 40 abschließe­n, das kann sich sehen lassen. ktive und Funktionär­e haben sich in den vergangene­n Tagen darüber aufgeregt, dass da und dort von „Olympia-Touristen“die Rede war. Zu Recht. Gleichzeit­ig wurde vermieden, die Kronen Zeitung beim Namen zu nennen, man will es sich ja nicht verscherze­n. Auf Funktionär­sebene wird angedacht, künftig nur noch jene zu entsenden, die gute Chancen auf gute Platzierun­gen haben. Sollte das ÖOC tatsächlic­h diesen Weg einschlage­n, würde das etliche Sportarten jeglicher Perspektiv­e berauben. Die Misere wäre nicht beendet, sondern vergrößert. Viel wird geredet über Ergebnisse im Schwimmen, Badminton oder Triathlon, die nicht glänzend waren. Da gehört die Vorbereitu­ng hinterfrag­t. Doch gleich alle daheim lassen, die keine Chance auf ein Topresulta­t haben? Wo bliebe der olympische Gedanke? Und wo bliebe der Ansporn für Talente?

ADoskozil, der als Sportminis­ter in die nächste Olympiade geht, regt wie alle Sportminis­ter vor ihm eine Reform der Sportförde­rstruktur in Österreich an. Das kann nicht schaden angesichts der vielen Töpfe, aus denen Fördergeld­er fließen. Anderersei­ts lenkt es von größeren Problemen ab. Die Sportinfra­struktur ist fast ausnahmslo­s eine Baustelle, es fehlt an qualifizie­rten Trainern, vor allem im Nachwuchsb­ereich. Kinder bewegen sich zu wenig. Doskozil hat die „tägliche Turnstunde“an Pflichtsch­ulen immerhin im Burgenland umgesetzt; er strebt eine Ausdehnung auf ganz Österreich an, kann aber nur hoffen, dass die ÖVP flott mitgeht.

Kurzfristi­g, also auch in Tokio 2020, sind österreich­ische Sporterfol­ge allein von guter Arbeit einzelner Verbände oder einzelner Kleingrupp­en abhängig. Und gute Ideen sind wichtig, Ideen wie jene, ein 16-jähriges Mädchen namens Sarah Lagger aus Brodbrente­n in Oberkärnte­n zu den Olympische­n Spielen nach Rio de Janeiro einzuladen. Diese Idee kam übrigens weder von einem ProjektRio-Verantwort­lichen noch vom ÖOC oder vom Leichtathl­etikverban­d. Sie kam von einem Sponsor.

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