Wenn die andern Heisl baun, geh i mi ins Beisl haun
Günter Brus lebt am nördlichen Stadtrand von Graz. Die Kunst ist seine Leidenschaft, sagt der Maler, Aktionist und Schriftsteller. Nur beim Hausbau vor 19 Jahren, da ist er in den Schüttelreim geflüchtet.
Ich möchte mit dem Ende anfangen. Denn einerseits bin ich am Ende. Da kommt jetzt nicht mehr viel. Und andererseits ist das Leben jetzt endlich schön. Ich kann meine Früchte ernten. Es geht uns richtig gut hier. Ich wohne hier mit meiner Frau Anna, unserer Tochter Diana und unserem Schwiegersohn Udo seit mittlerweile 19 Jahren. Es ist ein Wohnen an der Schnittstelle von Großfamilie und Alleinsein, denn das Haus ist groß genug, um sich ausbreiten und die anderen in Ruhe lassen zu können.
Die Idee, in ein Haus zu ziehen, kam von meinem Schwiegersohn. Zunächst hatten wir nach einem Altbau gesucht. Aber da gab es nichts Befriedigendes am Markt. Das war alles schrecklich. Dann hatten wir die Idee, etwas Neues zu bauen, und haben dieses Grundstück gefunden, 500 Meter vom Stadtrand entfernt. Und ich dachte mir: Vom Stadtpark hier- her? Was soll ich in dieser Einsamkeit? Es war eine gute Entscheidung. Und so wohne ich Großstadtmensch nun am nördlichsten Stadtrand von Graz, fast schon auf dem Land, nicht weit vom Haus fließt der Gabriachbach vorbei. Kann man sich das vorstellen?
Während der Bauzeit bin ich meinem Lieblingsschüttelreim nachgegangen: ‚Wenn die andern Heisl baun, geh i mi ins Beisl haun.‘ Das war für alle Betroffenen das Beste. Ich wollte Udo nicht in die Arbeit reinpfuschen, habe mich erst nach der Drecksarbeit ausgebreitet und das Haus von Anfang an geliebt. Ich würde sagen, es ist eine fast 100-prozentige Neuinterpretation eines ochsenblutroten Landhauses irgendwo in der Toskana. Heute ist jedes zweite Haus in diesem Rot gestrichen. Doch damals sorgte das für richtig viel Wirbel in der Nachbarschaft!
Wir haben ein sehr großes, sieben Meter hohes Wohnzimmer mit vielen Fenstern und einer Art von eingezogener Galerie, der sogenannten Kommandobrücke. Das Kommando da oben hatte ursprünglich meine Frau Anna, doch seitdem sie im Rollstuhl sitzt, ist die Galerie ein bisschen verwaist. Das Schöne ist, dass es – bis auf diese eine Galerie – sehr einfach war, das Haus mit Treppenlift und Rampen barrierefrei nachzurüsten. Wer hätte damals schon an so etwas gedacht? Jedenfalls spielt sich das Leben heute unten ab: kochen, wohnen, essen, lesen, schreiben, alles Mögliche.
Mein absolutes Lieblingsmöbel ist dieser Tisch. Er besteht aus einem einzigen Baumstamm. Mein Zweitlieblingsmöbel ist der Schrank hinter mir. Ein uraltes Orchestrion, das früher in einem Gasthaus stand, mit 16 verschiedenen Liedern drauf. Und dann gibt es noch einen Lounge-Chair von Eames. Ich weiß, da schlagen Architektenherzen höher. Doch ich habe es bis heute nicht geschafft, eine Beziehung zu diesem Stück aufzubauen.
Die meisten, die hierherkommen, sind erstaunt, dass der Brus heute so wohnt, wie er wohnt. Meine Arbeit ist hier wenig präsent. Wenn ich arbeite, spielt sich das im Nebenhäuschen ab, neben dem Carport. Wenn ich arbeite, muss ich mich in eine Art Fieber hineinbegeben, dann höre ich meist ziemlich laute Musik, dann wüte ich malend, zeichnend, schreibend durchs ganze Atelier.
Arbeit ist mein Leben. Arbeit war mein Leben. Und jetzt zum Anfang: Eines meiner schönsten Erfolgserlebnisse war, als ich 1956 nach Wien gegangen bin, um Malerei zu studieren. Als ich zur Aufnahmeprüfung antreten wollte, meinte die Sekretärin: ,Wir haben uns Ihre Arbeiten angeschaut. Sie brauchen die Prüfung nicht abzulegen. Machen Sie sich einen schönen Tag in Wien!‘ Pfau, ich bin in diesem Moment um 30 Zentimeter gewachsen. Solche Erlebnisse machen das Leben aus.