Berufung Reparieren, Wiederverwenden
Sepp Eisenriegler hat etwas gegen blinden Konsum. Persönlich und wegen des Planeten. So wurde er zum Herzeigeunternehmer im sozialökologischen Bereich. Jetzt will er das Motto „Länger nutzen statt öfter kaufen“EU-weit zum Standard machen.
Wien – „Der Sepp Eisenriegler ist was Wunderbares, nämlich ein dynamischer Umweltschützer und gleichzeitig ein vorbildlicher Unternehmer“, drückt die Jury des „Mittelstandshero“locker und ohne Zurückhaltung ihre Begründung aus. Der solcherart von Juroren des Gewerbevereins und der Wirtschaftskammer hochgelobte gelernte AHS-Lehrer und Sozialunternehmer Sepp Eisenriegler wiederum ist „glücklich, dass ich meine Berufung zum Beruf machen konnte“.
Was diese Berufung ist, wurde ihm im Geografieunterricht im Gymnasium klar. Konkret beim Kapitel Erdschichten. „Dass wir auf nur 30 Kilometern fester Kruste sitzen, lässt doch sofort das Bild entstehen, dass wir auf einem Vulkan tanzen.“Und das in einer selbstzerstörerischen Art und Weise in puncto Ressourcenverbrauch des Planeten.
Eisenriegler betreibt den Mechatronikfachbetrieb R.U.S.Z., in dem er Langzeitarbeitslose zu (Elektro-)Technikern ausbildet (derzeit 23) und Reparaturdienstleistung vor Ort und in der Werkstätte verkauft. Motto: „Länger nutzen statt öfter kaufen“. Dazu werden sogenannte Second-LifeGeräte verkauft, hauptsächlich derzeit Waschmaschinen – solche, sagt Eisenriegler, die noch nicht mit dem sich verstärkenden Trend zur geplanten Obsoleszenz ausgestattet seien. Sprich ein Ablaufdatum zwecks Zwangs zur Neuanschaffung eingebaut hätten.
Dazu betreibt Eisenriegler auch den Verein R.U.S.Z. als Projektagentur und als eine Art Forschungszentrum für nachhaltige Nutzungen von elektronischen Geräten. Ein weiterer Baustein auf dem Weg in die Zukunft, den er bahnen will: Re-Use.
Oder auch mieten statt kaufen. Derzeit etwa sind wieder instand gesetzte Waschmaschinen und Trockner im Flüchtlingsheim der Johanniter in Wien-Liesing gemietet im Einsatz. „Das kurbeln wir jetzt auch mit Privathaushalten an.“
Dass Integration von Migranten nur via Teilhabe am Arbeitsleben möglich ist, davon ist Eisenriegler überzeugt. Ein Projekt des Vereines daher aktuell: Asylanten und subsidiär Schutzberechtigte zwischen 18 und 24 Jahren innerhalb von zwei Jahren zu Elektrofachkräften auszubilden und dann auch in reguläre Dienstverhältnisse zu vermitteln. Verhandlungen mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) laufen.
Mit zehn Leuten will er beginnen, „und wenn das erfolgreich ist“(er zweifelt ja nicht), dann ließe sich das skalieren. „Gemeinsame Arbeit von Migranten, Inländern, am klassischen Arbeitsmarkt Benachteiligten ist ein Schlüssel zur Integration.“
Das klingt – inklusive des jüngsten Lorbeers als „Mittelstandshero“– alles nach planvoller Erfolgsgeschichte auf vielen Ebenen. Dabei war – und ist – das Risiko dahinter allerdings hoch. Ebenso sein privates.
Gegen Ausgrenzung
Ursprünglich war R.U.S.Z. ein sozioökonomischer Betrieb (zwei Drittel Förderung der Löhne) mit seiner Ausbildung und Beschäftigung Langzeitarbeitsloser, von Menschen mit Behinderungen und von Haftentlassenen. 2008, nach zehn Jahren, hat das AMS das abgedreht. Eisenriegler sperrte kurz zu, um dann privat mit einem ordentlichen Kredit und mithilfe Engagierter im Umfeld als GmbH neu aufzusperren. Dass schnelle Gewinne nicht zu machen sind, war allen Beteiligten, auch der kreditgebenden Erste Bank, klar.
Dann halt volles Risiko
Aber das Anliegen des Sepp Eisenriegler ist groß genug, sein Einsatz ist massiv genug. Ängstlich oder zurückhaltend ist er auch nicht. „Mitreißender Vortragender“etwa haftet ihm als Beschreibung an. Lobbyist ist er auch. In ganz Europa. So hat er etwa das Reparaturnetzwerk initiiert, den Dachverband einschlägiger sozialwirtschaftlicher Betriebe (repanet.at) gegründet und auch den entsprechenden EUDachverband (rreuse.org).
Der maßgebliche europäische Auftritt kam so: 2011 hat das Team eine Prüfmethode entwickelt, um im hauseigenen Labor die Energieeffizienz von in Gebrauch befindlichen Geräten zu erkunden und dann zu verbessern. Daraus entstand dann in Kooperation mit dem Umweltministerium eine neue Ö-Norm zur Messung und Promotion von langlebigen, reparaturfreundlich konstruierten Elektro- und Elektronikgeräten. Für das Joint Research Center der EU-Kommission ist schließlich eine Reparaturdatenbank entstanden. Eisenriegler ist Sachverständiger des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und hat die Ö-Norm mittlerweile der EU-Umweltagentur so weit nähergebracht, dass er überzeugt ist, diese in den kommenden drei Jahren europaweit zur Gültigkeit zu bringen. Harte Ansage: „die Industrielobby zurückdrängen“.
Re-Use entspreche einer großen Sehnsucht, glaubt Eisenriegler; und dass die Erkenntnis der Endlichkeit der Ressourcen auf dem Planeten endlich durchgesickert ist: „Die Leute fahren teilweise über 100 Kilometer, um uns ihre Geräte zu bringen, damit wir ein sinnvolles Second-Life-Gerät daraus machen.“
Und wenn die Motive sind, Platz zu schaffen und endlich etwas noch Neueres anschaffen zu können? Das spielt für ihn keine Rolle. Er geht in seiner Berufung seinen Weg.
Nach über 20 Jahren hat er jetzt auch ein Buch geschrieben, das Mitte September in der Edition A herauskommt. Wenig überraschend und in Eisenriegler’scher Klarheit und Wucht heißt es: Konsumtrottel. p www.rusz.at www.reparaturnetzwerk.at www.lobbydermitte.at