WOCHENSCHAU
Ehrlichkeit, die zu Debatten führt: Der deutsche Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte einer rechten Gruppe den Stinkefinger.
Auf dem steinigen Weg zur Kanzlerschaft gönnte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel diese Woche Urlaub vom staatsmännischen Getue. In einer Sternstunde der Authentizität bedachte er ein – ihn anpöbelndes – rechtes Grüppchen mit dem stramm aufgerichteten Mittelfinger. Das Stinksymbol stieß in der eigenen Partei auf tiefes Verständnis. Gabriel sei nur ein Mensch, hieß es, ein ehrlicher zumal. Dennoch. Mit seiner fingerfertigen Verhöhnung rechten Gedankenguts geriet er auch in die Fänge von Missdeutern, die aus seiner Geste ideologisches Kapital zu generieren suchten.
CSUler Horst Seehofer forderte, den Vizekanzler einem Lügendetektortest zu unterziehen. Zu prüfen sei, ob Gabriel noch die Werte der deutschen Leitkultur in sich trage. Außenminister Sebastian Kurz wiederum zitierte Heinz-Christian Strache: Provokationen der Mehrheitsbevölkerung durch Symbole einer Gegengesellschaft seien abzulehnen. Kurz schlug auch vor, Fingerexhibitionisten zu Ein-Euro-Jobs zu verpflichten, Gabriel, als EU-Bürger, sei aber auszunehmen.
Weniger diplomatisch Türkei-Präsident Erdogan: Er rief Anhänger in Deutschland auf, Burkapflicht für erregte Finger zu fordern. Zugleich bot er geheimdienstliche Hilfe an. Sollte sich herausstellen, dass Gabriels putschender Mittelfinger ein Naheverhältnis zur Gülen-Bewegung aufweist, würde er die Auslieferung des Körperteils beantragen. Angela Merkel wies dieses Ansinnen umgehend mit dem Hinweis zurück, Deutschland sei ein Rechtsstaat, in dem freie Meinungsäußerung (auch von Körperteilen) ein unverhandelbares Gut darstellt.