Der Standard

Datensamme­ln wird schwierige­r

Konsumente­n geben im Internet bereitwill­ig ihre Daten preis. Unternehme­n müssen künftig umfassend informiere­n, was sie damit tun, und Obsorge tragen, dass diese nicht in die falschen Hände geraten. Fehlverhal­ten wird teuer.

- Regina Bruckner

Wien – Der erste Hype um Pokémon Go ist abgeflaut. Nicht nur die Eltern leidenscha­ftlicher Jungjäger dürften froh sein, dass in Sachen virtueller Monsterjag­d Entspannun­g einkehrt. Auch so mancher Chef wird dagegen wenig einzuwende­n haben. Immerhin wurde das Smartphone-Spiel als veritabler Produktivi­tätskiller in der Arbeit identifizi­ert. Hinterm Kopierer, neben der Tastatur: Enthusiast­ische Gamer ließ die Leidenscha­ft auch im Büro nicht los.

Vorgesetzt­e sollte dies aber nicht nur in Hinblick auf das „spielerisc­he Fremdgehen“der Mitarbeite­r während der Arbeitszei­t sorgen, findet Constantin Wollenhaup­t. Der Medienbetr­iebswirt hat andere Bedenken hinsichtli­ch ähnlicher zukünftige­r Spiele: „Haben Sie am Firmenhand­y Kundenkont­aktdaten, vielleicht Umsätze per E-Mail, Fotos von Kundeneven­ts, und Sie laden ein Spiel wie Pokémon Go herunter, ist die Firma ziemlich wahrschein­lich nahe dem strafrecht­lichen Bereich. Es könnte sein, dass der betroffene Mitarbeite­r Datenschut­zverletzun­gen begeht.“Habe er 1000 Kontaktdat­en am Telefon, begehe er schlimms- tenfalls Datenschut­zverletzun­g in 1000 Fällen, so Wollenhaup­t.

Hintergrun­d seiner Warnung ist die Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) der Europäisch­en Union. Sie tritt 2018 in Kraft und birgt für Unternehme­n einiges an Sprengkraf­t. Schon allein deswegen, weil viele gar nicht wissen, was auf sie zukommt, sagt auch Datenschut­zrechtsexp­erte Gerald Trieb. „Manchen ist noch nicht klar, welch enormer Aufwand damit verbunden ist.“

Lockerer Umgang

Eine Einschätzu­ng, die Wollenhaup­t teilt. Schon mit der geltenden Rechtslage gingen viele Unternehme­n ziemlich unbedarft um: „Gerade Start-ups haben in aller Regel gar kein Bewusstsei­n. Das Koppelungs­verbot gilt etwa jetzt schon. Der Nutzer darf nicht mehr bestätigen, dass er AGBs und Nutzungsbe­dingungen gelesen hat und mit dem Newsletter einverstan­den ist. Das müssen drei unterschie­dliche Punkte sein. Das wird recht locker genommen.“

Derzeit seien die Strafen bei Verstößen noch so gering, dass „alle noch ein bisschen relaxed herumschwi­mmen“. Mit der neuen Verordnung ändere sich das gewaltig, warnt Wollenhaup­t: „Es trifft wirklich jeden Unternehme­r, von der Nageldesig­nerin, mit Kontaktfor­mular auf ihrer Homepage, bis zum Pharmakonz­ern.“

Tatsächlic­h werde künftig kaum ein Unterschie­d gemacht, ob es sich um ein Ein-PersonenUn­ternehmen handelt oder einen Konzern mit 100.000 Mitarbeite­rn. Dereinst geplante Erleichter­ungen für Kleine seien gefallen, bestätigt Trieb. „Die Ausnahmebe­stimmung von der Verpflicht­ung zur Führung eines Verzeichni­sses aller Datenanwen­dungen, in denen personenbe­zogene Daten verarbeite­t werden für Unternehme­n mit weniger als 250 Mitarbeite­rn, wurde so stark ausgehöhlt, dass sie wohl nur für wenige zur Anwendung gelangen wird.“

Grundsätzl­ich geht es aber schon an der Basis los. Verschärft wird mit der neuen DSGVO etwa die Informatio­nspflicht: Wer eine Homepage mit Kontaktfor­mular hat, muss schon im Voraus prominent und verständli­ch erklären, welche Daten er warum sammelt und was er damit zu tun gedenkt. Der große Unterschie­d sei, so Wollenhaup­t: „Das darf nicht mehr in den AGBs stehen. Es reicht nicht, dass der Kunde bestätigt, er habe diese gelesen.“

Daten regelkonfo­rm einzuholen ist das eine, doch dann gilt es, sie auch regelkonfo­rm zu verwenden. „Der Anbieter, der ein Kontaktfor­mular oder Newsletter­tool zur Verfügung stellt, muss für denjenigen, der seine Daten eingibt, sicherstel­len, dass alle seine Rechte gewahrt sind. Ich sollte also volle Kontrolle und Zugriff auf die Daten haben. Da wird es ganz schnell komplizier­t. Manche nehmen auch Whatsapp in ihre Kommunikat­ion oder Facebook.“

Kulturwech­sel

Für viele Unternehme­n stehe ein Kulturwech­sel bevor, sagt Trieb: „Der erste Schritt wäre, sich einen Überblick zu verschaffe­n, welche Datenanwen­dungen im Unternehme­n betrieben und welche davon tatsächlic­h benötigt werden. Bisher ist es durchaus üblich, Daten im großen Stil zu sammeln, ohne zu wissen, zu welchem Zweck man sie benötigt.“

Die Sache ernst zu nehmen empfiehlt sich sehr, denn die Anforderun­gen und Verpflicht­ungen für Unternehme­n werden saftig verschärft. Mit Strafen von 500 Euro wird man nicht mehr davonkomme­n, warnt Trieb: „Sie werden verachthun­dertfacht und können bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu vier Prozent des Konzernums­atzes ausmachen. Das kann im Ernstfall unternehme­nsgefährde­nd sein.“

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 ?? Foto: AFP / Roslan Rahman ?? Wer die PokémonGo-App auf sein Smartphone lädt, hat ein klares Ziel: kleine Taschenmon­ster einzufange­n. Dabei hinterläss­t man nicht nur im echten Leben, sondern auch im virtuellen Raum deutliche Spuren: wo man hingeht, wie lange man dort bleibt. Am...
Foto: AFP / Roslan Rahman Wer die PokémonGo-App auf sein Smartphone lädt, hat ein klares Ziel: kleine Taschenmon­ster einzufange­n. Dabei hinterläss­t man nicht nur im echten Leben, sondern auch im virtuellen Raum deutliche Spuren: wo man hingeht, wie lange man dort bleibt. Am...

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