Matteo Renzis Spiel mit europäischen Symbolen
Heute, Montag, empfängt Italiens Premier Matteo Renzi seine Amtskollegen Angela Merkel und François Hollande, um über die Folgen des Brexit zu diskutieren. Damit will er Italien auf die Bühne der Big Player hieven.
Ventotene, eine der Pontinischen Inseln, liegt gut 50 Kilometer vor Neapel im Tyrrhenischen Meer, nordwestlich von Ischia. Auf dem bloß 1,5 Quadratkilometer großen Eiland leben normalerweise 739 Menschen, doch jetzt, in den Sommerferien, wird Ventotene freilich von tausenden Badegästen bevölkert: Die Insel mit dem malerischen Hauptort und dem kristallklaren Meer ist bei Römern und Neapolitanern gleichermaßen beliebt.
Heute, Montag, erhält Ventotene hohen Besuch: Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande werden zum Auftakt ihres Dreiertreffens mit dem Hubschrauber einen Abstecher auf die Insel machen.
Gastgeber Renzi, dem ein ausgeprägter Sinn für Symbolik und große Gesten zu eigen ist, hat Ventotene nicht zufällig ausgewählt: Hier hatte der vom Mussolini-Regime auf die Insel verbannte italienische Kommunist Altiero Spinelli im Jahr 1941 sein Manifest für ein freies und geeintes Europa geschrieben.
Das Manifest diente als ideologische Grundlage für die Römer Verträge von 1947 und alle weiteren Einigungsschritte in Europa: Ventotene wird deswegen oft als „Wiege der EU“bezeichnet. Zu Ehren von Altiero Spinelli, der 1986 in Rom verstarb, trägt das Hauptgebäude des Europäischen Parlaments noch heute seinen Namen.
Historische Orte
Während der faschistischen Diktatur waren tausende Regimekritiker nach Ventotene verbannt oder auf der vorgelagerten, heute unbewohnten Gefängnisinsel Santo Stefano eingekerkert worden. In Santo Stefano war unter anderen auch der Sozialist und spätere Staatspräsident Pertini inhaftiert.
Der Besuch der Gedenktafel für Spinelli auf Ventotene soll auf die Teilnehmer des Dreiertreffens inspirierend wirken: Renzi hat zu dem Mini-Gipfel geladen, um über die Zukunft der Europäischen Union zu diskutieren, die sich seit dem Brexit-Votum in Großbritannien in einer tiefen Sinnkrise befindet. Der italienische Premier wünscht sich eine bürgernahe Union, die weniger technokratisch und stattdessen wieder mehr politisch entscheidet. Sandro
Auch beim Treffen selbst wird es vor allem um Symbolik und weniger um Inhalte gehen: Renzi, Merkel und Hollande wollen Einigkeit demonstrieren und europäischen Optimismus verbreiten. Offiziell dient das Dreiertreffen als Vorbereitung für den nächsten EU-Gipfel im September in Bratislava und das G-7-Meeting in Sizilien 2017. Zur Sprache werden alle Themen kommen, welche die Gemüter in Brüssel und in den europäischen Staatskanzleien derzeit bewegen: das Vorgehen nach dem Brexit (Bratislava wird der erste EU-Gipfel seit langem ohne die Briten sein), die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, Sicherheits- und Migrationspolitik, der Investitionsplan von EUKommissionspräsident JeanClaude Juncker – und vermutlich auch Renzis Lieblingsthema: die Lockerung der europäischen Stabilitätskriterien.
Seit Ende Juli bekannt geworden war, dass die italienische Wirtschaft im zweiten Quartal ein Nullwachstum verzeichnete, herrscht im Römer Finanzministerium Alarmstimmung: ein Rückfall in die Stagnation oder gar in eine erneute Rezession hätte für gravierende Folgen. Laut inoffiziellen Angaben arbeitet Finanzminister Pier Carlo Padoan bereits an einem Korrekturhaushalt von bis zu 30 Milliarden Euro – dabei hatte Renzi eigentlich eine kostspielige Erhöhung der Mindestpensionen sowie die Möglichkeit von Frühpensionen geplant, um im Hinblick auf das Verfassungsreferendum im Herbst öffentlichen Goodwill für seine Regierung zu schaffen. Renzis Wohltaten scheinen nun akut gefährdet.
Meeting auf Flugzeugträger
Die Diskussionen über die Zukunft der EU finden am Montag dann nicht direkt auf Ventotene, sondern hauptsächlich auf dem italienischen Flugzeugträger Garibaldi statt, der zu diesem Zweck in die Nähe der kleinen Insel abkommandiert wurde. Auch diese Kulisse ist von Renzi mit Bedacht ausgewählt worden: Die Garibaldi dient seit dem Juni als Flaggschiff der europäischen Mission „Eunavfor Med Operation Sophia“. Mit dieser Mission versucht die Europäische Union – bisher mit nur mäßigem Erfolg – das Schlepperwesen im Mittelmeer zu unterbinden, dem heuer bereits mehr als 3000 Menschen zum Opfer gefallen sind.