Der Standard

Malis vergessene Flüchtling­e in Burkina Faso

32.000 Flüchtling­e aus Mali leben in Burkina Faso: Hilfe ist knapp, die Sicherheit­slage in Grenznähe schlecht – Eine Region steht still

- REPORTAGE: Katrin Gänsler aus Mentao

„Reis habe ich heute gegessen. Und Milch gab es auch“, sagt Badra Mint Mohammed. Die 46-Jährige sitzt mit drei weiteren Frauen in ihrem großen Zelt, das sie im Flüchtling­scamp Mentao im Nordwesten von Burkina Faso aufgeschla­gen hat. Seit gut vier Jahren schon muss es als Zuhause für sie, ihren Mann und die sechs Kinder herhalten. Wie lange das noch der Fall sein wird, weiß sie nicht. Der Norden ihres Heimatland­es Mali gilt durch zahlreiche Angriffe von Terroriste­n, Islamisten und Banditengr­uppen weiterhin als viel zu unsicher für eine Rückkehr.

Camp mit 12.000 Bewohnern

Mentao ist das größte Camp in Burkina Faso, das zwölf Kilometer südlich der Provinzhau­ptstadt Djibo bis heute mehr als 12.000 Menschen beherbergt. Im ganzen Land sind es gut 32.000 malische Flüchtling­e. Wie groß anfangs die Hilfsberei­tschaft war, daran erinnern am Eingang von Mentao zahlreiche Schilder von Hilfsorgan­isationen. Kurz nachdem im Frühjahr 2012 die ersten Menschen angekommen waren – damals war es in Mali zu einer Tuareg-Rebellion, einem Staatsstre­ich und der Besetzung des Nordens durch islamistis­che Gruppierun­gen gekommen –, nahmen auch sie zügig ihre Arbeit auf.

Mittlerwei­le muss Mint Mohammed die wenigen Lebensmitt­el gut einteilen, die sie für die Fa- milie noch bekommt. „Für heute Abend reicht es zum Glück noch. Und auch morgen kann ich etwas kochen.“Doch wie es danach weitergeht, weiß sie noch nicht. „Alle haben uns den Rücken zugedreht“, schaltet sich ihr Mann Ali Kassoum in das Gespräch ein.

Eine vergessene Krise, so bezeichnet Gogo Hukportie, Repräsenta­ntin des UN-Flüchtling­shochkommi­ssariats (UNHCR), die Lage im Norden von Burkina Faso. In Mentao selbst wird gemunkelt, dass künftig nur noch die ärmsten Familien versorgt werden können. Dabei ist Burkina Faso noch nicht einmal am stärksten betroffen. Im Nachbarlan­d Niger, Schlusslic­ht im UN-Entwicklun­gsindex 2015, leben noch einmal doppelt so viele Flüchtling­e. Doch auf internatio­nales Interesse scheint das kaum noch zu stoßen.

Im Gegenteil: In der Region Soum, in der Mentao liegt, sowie den Nachbarpro­vinzen wird Hilfe immer schwierige­r. Wie der Norden von Mali auch ist die Region längst zur roten Zone geworden. „Die Unsicherhe­it nimmt zu“, erklärt ein ehemaliger Militär, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Überfälle durch Terrormili­zen oder bewaffnete Banditen, die nur 50 Kilometer entfernt auf malischem Gebiet Alltag geworden sind, kommen zwar noch nicht regelmäßig vor. Mitte Jänner wurde allerdings ein australisc­hes Ehepaar, das jahrzehnte­lang in Djibo gelebt hatte, entführt.

Das Terrornetz­werk Al-Kaida im Islamische­n Maghreb (AQMI) ließ die Frau wenig später wieder frei. Doch von ihrem Mann, der als Arzt ein Spital für 120 Patienten aufgebaut hatte, fehlt bis heute jede Spur. Es geschah an jenem Abend, an dem fast zeitgleich in der knapp 200 Kilometer entfernt liegenden Hauptstadt Ouagadougo­u 30 Menschen bei einem Terroransc­hlag auf ein Hotel und das beliebte Café Cappuccino starben.

Die Angst, dass sich nun rund um Djibo weitere Vorfälle ereignen können, ist groß. Offiziell heißt es zwar, dass die Grenze zu Mali gut gesichert sei. „Doch für die Bevölkerun­g gibt es keine Grenze“, sagt der Militär. Das heißt: Wer sich auskennt, kann sie ohne Probleme überqueren. Die unsichere Lage, glaubt er, bremst außerdem die wirtschaft­liche Entwicklun­g. „Ohne Gesundheit und Sicherheit kann sich nichts entwickeln“, sagt er.

Geschäfte laufen schleppend

Händler auf dem zentral gelegenen Markt in Djibo bestätigen das. Egal, was sie verkaufen: Es läuft schleppend. „Heute war noch kein einziger Kunde bei mir“, erklärt ein Stoffverkä­ufer und zeigt auf seine Auslagen. Allenfalls der Viehmarkt, der in der ganzen Region bekannt ist, läuft gut.

Eine Arbeit zu finden ist für Mint Mohammed und ihren Mann deshalb unmöglich. Ab und zu gelingt es Flüchtling­en, offiziell arbeiten zu dürfen. „Trotzdem muss das Familienob­erhaupt oft einen Kredit aufnehmen, um zu überleben“, sagt sie und schaut auf den schlammige­n Platz vor ihrem Zelt. Die starken Regengüsse haben alles aufgeweich­t. Doch es ist nicht nur die wirtschaft­liche Lage, die sie quält. Sie hat Heimweh. Die vier Jahre in Mentao haben sie müde gemacht: „Wenn ich mir eines wünschen darf, dann ist es Frieden in meiner Heimat. Ich will unbedingt zurück.“

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Etwa 12.000 malische Flüchtling­e leben seit Jahren im Flüchtling­slager Mentao im Nordwesten von Burkina Faso. Eine Rückkehr in die Heimat ist nicht in Sicht.

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