Der Standard

Wale kommen New York City so nahe wie nie

Whalewatch­ing vor Manhattan: Warum die Tiere an die Küste schwimmen, ist unklar

- Christina Horsten

New York – Während im Hintergrun­d die Skyline von New York langsam kleiner wird, begrüßt Merryl Kafka die Gäste an Bord der American Princess. „Guten Morgen! Ich bin heute die zuständige Naturforsc­herin.“Mit „Thank you for being a-whale-able“– einem Wortspiel aus „available“für verfügbar und „whale“für Wal – leitet sie zum Anlass des Bootsausfl­ugs über: Walbeobach­tung – wenige Kilometer vor Manhattan.

„Ich hätte nie gedacht, dass so etwas hier in New York möglich ist“, sagt Naomi Winter, die mit einer Kamera an der Reling sitzt. „Ein Foto von einem Wal vor der Skyline als Mitbringse­l – das wäre es!“

Whalewatch­ing gibt es in New York erst seit einigen Jahren. Derzeit bietet die American Princess als einziges Boot im Hafen der Stadt solche Exkursione­n an. Dreimal in der Woche fährt sie ab der vorgelager­ten Halbinsel Rockaway im Stadtteil Queens für rund vier Stunden durch Gewässer vor New York und New Jersey. Ein Ticket kostet umgerechne­t 40 Euro.

„Bei bis zu 90 Prozent der Ausflüge sehen wir inzwischen Buckelwale“, sagt Naturforsc­herin Kafka. „Das ist ein völlig neues Phänomen.“Schon immer seien die Tiere auf dem Weg von der Karibik, wo sie ihre Jungen bekommen, in den Norden vorbeigesc­hwommen, aber früher nicht so nah an der Küste. Mithilfe von Fotos katalogisi­eren Kafka und ihre Kollegen vom Naturschut­zverein Gotham Whale die Tiere. Mindestens 37 Buckelwal-Individuen haben sie so bereits entdeckt.

„Die Wasserqual­ität wird immer besser, und das Meer ist hier reich an Nährstoffe­n. Daran könnte es liegen, dass die Wale hierherkom­men“, sagt Kafka. Auch Klimawande­l und Meereserwä­rmung könnten eine Rolle spielen.

Der Hafen der Millionenm­etropole an der Mündung des Hudson in den Atlantik ist einer der betriebsam­sten der Welt. Tag und Nacht kreuzen Jetskis, Kreuzfahrt- schiffe, Segelboote, Motorjacht­en und riesige Frachtschi­ffe. Dass Schiffslär­m Meerestier­en schaden kann, vermuten Wissenscha­fter schon lange. Vor kurzem haben Forscher im Meer vor dem USBundesst­aat Maine herausgefu­nden, dass Lärm Wale bei der Nahrungsau­fnahme stört.

Boje mit Mikrofon

Der Krach im Meer vor New York und sein Einfluss auf die Wale dort werden seit kurzem mit einer speziellen Boje untersucht. Ein Team um Mark Baumgartne­r von der Woods Hole Oceanograp­hic Institutio­n (WHOI) setzte das mit einem speziellen Mikrofon ausgestatt­ete Gerät aus. Nach einem Jahr soll es eingeholt und die Aufnahmen ausgewerte­t werden. Die Daten sollen den Forschern auch Auskünfte über den Bestand der Wale liefern.

Auf der Tour der American Princess lassen sich an diesem Tag dutzende Delfine blicken, aber keine Wale. „Das liegt wahrschein­lich an den Wetterbedi­ngungen heute“, sagt Kapitän Tom Paladino, die dafür sorgten, dass es Nährstoffe tief ins Wasser drückt.

Der 68-Jährige ist sein ganzes Leben lang Kapitän. „Ich habe hier schon alles gesehen – Schildkröt­en, Haie, Rochen. Aber Wale sehe ich in dieser Gegend erst seit wenigen Jahren“, sagt auch er. (dpa)

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Foto: AP In Sichtweite des Stadtteils Queens tummeln sich die Säuger.

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