Wale kommen New York City so nahe wie nie
Whalewatching vor Manhattan: Warum die Tiere an die Küste schwimmen, ist unklar
New York – Während im Hintergrund die Skyline von New York langsam kleiner wird, begrüßt Merryl Kafka die Gäste an Bord der American Princess. „Guten Morgen! Ich bin heute die zuständige Naturforscherin.“Mit „Thank you for being a-whale-able“– einem Wortspiel aus „available“für verfügbar und „whale“für Wal – leitet sie zum Anlass des Bootsausflugs über: Walbeobachtung – wenige Kilometer vor Manhattan.
„Ich hätte nie gedacht, dass so etwas hier in New York möglich ist“, sagt Naomi Winter, die mit einer Kamera an der Reling sitzt. „Ein Foto von einem Wal vor der Skyline als Mitbringsel – das wäre es!“
Whalewatching gibt es in New York erst seit einigen Jahren. Derzeit bietet die American Princess als einziges Boot im Hafen der Stadt solche Exkursionen an. Dreimal in der Woche fährt sie ab der vorgelagerten Halbinsel Rockaway im Stadtteil Queens für rund vier Stunden durch Gewässer vor New York und New Jersey. Ein Ticket kostet umgerechnet 40 Euro.
„Bei bis zu 90 Prozent der Ausflüge sehen wir inzwischen Buckelwale“, sagt Naturforscherin Kafka. „Das ist ein völlig neues Phänomen.“Schon immer seien die Tiere auf dem Weg von der Karibik, wo sie ihre Jungen bekommen, in den Norden vorbeigeschwommen, aber früher nicht so nah an der Küste. Mithilfe von Fotos katalogisieren Kafka und ihre Kollegen vom Naturschutzverein Gotham Whale die Tiere. Mindestens 37 Buckelwal-Individuen haben sie so bereits entdeckt.
„Die Wasserqualität wird immer besser, und das Meer ist hier reich an Nährstoffen. Daran könnte es liegen, dass die Wale hierherkommen“, sagt Kafka. Auch Klimawandel und Meereserwärmung könnten eine Rolle spielen.
Der Hafen der Millionenmetropole an der Mündung des Hudson in den Atlantik ist einer der betriebsamsten der Welt. Tag und Nacht kreuzen Jetskis, Kreuzfahrt- schiffe, Segelboote, Motorjachten und riesige Frachtschiffe. Dass Schiffslärm Meerestieren schaden kann, vermuten Wissenschafter schon lange. Vor kurzem haben Forscher im Meer vor dem USBundesstaat Maine herausgefunden, dass Lärm Wale bei der Nahrungsaufnahme stört.
Boje mit Mikrofon
Der Krach im Meer vor New York und sein Einfluss auf die Wale dort werden seit kurzem mit einer speziellen Boje untersucht. Ein Team um Mark Baumgartner von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) setzte das mit einem speziellen Mikrofon ausgestattete Gerät aus. Nach einem Jahr soll es eingeholt und die Aufnahmen ausgewertet werden. Die Daten sollen den Forschern auch Auskünfte über den Bestand der Wale liefern.
Auf der Tour der American Princess lassen sich an diesem Tag dutzende Delfine blicken, aber keine Wale. „Das liegt wahrscheinlich an den Wetterbedingungen heute“, sagt Kapitän Tom Paladino, die dafür sorgten, dass es Nährstoffe tief ins Wasser drückt.
Der 68-Jährige ist sein ganzes Leben lang Kapitän. „Ich habe hier schon alles gesehen – Schildkröten, Haie, Rochen. Aber Wale sehe ich in dieser Gegend erst seit wenigen Jahren“, sagt auch er. (dpa)