Der Standard

Frauenpowe­r für das Heer

Im Auftrag des Verteidigu­ngsministe­rs arbeitet Expertin Irmtraut Karlsson Vorschläge aus, wie man mehr Frauen für das Heer begeistern könnte – dem Standard verriet sie ihre ersten Empfehlung­en.

- INTERVIEW: Nina Weißenstei­ner

Standard: Bis heute dümpelt der Frauenante­il beim Bundesheer bei 2,6 Prozent. Über den Sommer sollen Sie im Auftrag von Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) Vorschläge erarbeiten, wie sich der Anteil der Soldatinne­n zu einem zweistelli­gen Betrag steigern ließe. Schon auf Ursachen gestoßen, was da bisher schieflief? Karlsson: Grundsätzl­ich möchte ich vorausschi­cken, dass das Bundesheer hohen Rekrutieru­ngsbedarf hat, weil es derzeit 800 nicht besetzte Stellen im Unteroffiz­iersbereic­h gibt, viele Pensionier­ungen anstehen und in den kommenden Jahren sukzessive der Truppenant­eil erhöht wird. Im Herbst startet auch ein neuer Lehrplan für Unteroffiz­iere, der vorrangig ihre Ausbildung und nicht das Ausscheide­n zum Ziel hat. Bisher war es nach der Grundausbi­ldung oft so, dass die angehenden Berufssold­aten zu Beginn ihrer Kaderausbi­ldung ein auch körperlich intensives Programm durchmache­n mussten, damit nur die Besten bleiben – und das hat leider auch dazu geführt, dass viele Frauen aufgegeben haben.

Standard: Gibt es weitere Defizite, die das Militär bisher für Frauen als Arbeitgebe­r unattrakti­v machten? Karlsson: Im Zuge meiner Evaluierun­g bin ich auf 42 Titel, also Berichte, Protokolle, Empfehlung­spapiere, gestoßen, die alle Verbesseru­ngsvorschl­äge enthielten. Angefangen bei den schlecht sitzenden Kampfanzüg­en für Frauen, die erst zurechtges­chneidert werden mussten, bis hin zu einer Studie der Landesvert­eidigungsa­kademie, die feststellt, dass die meisten Frauen im familiären Umfeld rekrutiert werden, weil von rund der Hälfte von ihnen schon der Großvater, der Vater oder der Bruder beim Militär war. Doch das ist eine begrenzte Gruppe, daher geht es jetzt darum, auf Frauen ohne diesen Hintergrun­d zuzugehen.

Standard: Und was empfehlen Sie an Maßnahmen? Karlsson: In einem ersten Schritt konnte ich mithilfe des Ministerka­binetts erwirken, dass im heurigen Herbst wirklich jedes interessie­rte Mädchen an einem der Girls’ Camps des Bundesheer­es (bei denen einfache Übungen im Gelände trainiert werden, Anm.) teilnehmen kann. Denn im Mai gab es für die Termine im September, die mit den Jägerbatai­llonen in St. Michael und in Güssing angeboten werden, 262 Anmeldunge­n, jedoch nur 150 Plätze. Daher haben wir nun noch zwei Termine im Oktober organisier­t – in Mautern und in Klagenfurt.

Standard: Gibt es für Sie auch bereits ein Best-Practice-Beispiel eines anderen Staates? Karlsson: Auffallend ist, dass vor allem in den neuen EU-Mitgliedss­taaten Frauen in Uniform seit Jahrzehnte­n eine Selbstvers­tändlichke­it sind. Daher ist es für die- se Armeen bis heute offensicht­lich einfacher, Frauen zu rekrutiere­n. In Deutschlan­d wiederum gilt unter weiblichen Lehrlingen und Schülerinn­en laut einem aktuellen Bericht der Welt am Sonntag die Bundeswehr nach der Polizei und Adidas als drittattra­ktivster Arbeitgebe­r – das ergab eine Umfrage unter tausend Befragten. Dieses Ergebnis hängt natürlich auch damit zusammen, dass ein Teil der jungen Frauen aus dem Gebiet der Ex-DDR stammt, wo die Arbeitslos­igkeit hoch ist, aber Soldatinne­n bisher quasi immer einen krisensich­eren Job hatten.

Standard: Apropos Polizei: Der weibliche Anteil unter den heimischen Exekutivbe­amten macht mittlerwei­le doch an die 14 Prozent aus. Was macht die Polizei besser? Karlsson: Hier ergeben Studien, dass die Frauen ein genaueres Bild von den Berufspers­pektiven bei der Polizei haben – also, womit sich eine Verkehrspo­lizistin oder eine Hundeführe­rin beschäftig­t. Bei den Soldatinne­n ist das bis dato offenbar unklar, da herrscht die Annahme vor, Krieg steht ja keiner bevor, also was gibt es beim Bundesheer für uns überhaupt zu tun? Deswegen gilt es klarzumach­en, wofür Soldatinne­n konkret ausgebilde­t werden – etwa für Katastroph­en- oder Auslandsei­nsät- ze, in denen sie etwa als Militärpol­izisten auch gehobene Positionen einnehmen.

Standard: Grundsätzl­ich stehen Frauen beim Bundesheer – anders als in einigen anderen Armeen – aber alle Funktionen offen, von der Panzerfahr­erin bis zur Pilotin. Warum hat das bisher kaum gezogen? Karlsson: Schon Mitte der Neunziger habe ich davor gewarnt, dass die drei Ks im Frauenallt­ag, also Kinder, Küche, Kirche, beim Bundesheer zu den drei Ls werden, nämlich Leistungss­port, Leibschüss­eln, Listen, wie ich es nenne. Denn unter den derzeit 373 Soldatinne­n gibt es 92 Spitzenspo­rtlerinnen, 84 bei der Sanität und nur 197 sind Kadersolda­tinnen – und viele davon sind bei der Stabsunter­stützung tätig. Das heißt, dass sie vor allem mit organisato­rischen Aufgaben befasst sind. Die Panzerfahr­erin und die Pilotin sind also bis heute leider nur die Ausnahme.

Standard: Inwiefern spielt der drohende Kasernento­n als Abschrecku­ng für Frauen eine Rolle? Karlsson: Ich war lange genug in der Partei und in der Gewerkscha­ft tätig, dass ich heute sagen kann: Wenn es heikel wird, herrscht mitunter überall ein recht rauer Umgangston. Aber eines gilt schon bis heute beim Bundesheer, das ich gern das Leutnant-Gustl-Prinzip nenne: Ständig ist dort vom „Kamerad“, vom „Mannschaft­sgeist“die Rede – mit dem Frauen recht wenig anfangen können. Man muss sich daher insgesamt überlegen, wie man ein Heer einer demokratis­chen Republik gestaltet.

Standard: Aber zunächst gleich einmal alles durchgende­rn? Karlsson: Mein Kompromiss­vorschlag wäre, dass man sich bei der Anrede künftig einfach der Funktionsb­ezeichnung­en bedient – dann ist das halt zum Beispiel der Brigadekom­mandant oder die Brigadekom­mandantin, denn das lässt sich nahezu alles für beiderlei Geschlecht­er durchdekli­nieren. Und auch beim Webauftrit­t des Bundesheer­es sieht man, wenn man sich zu den konkreten Aufgabenfe­ldern für die Soldaten und Soldatinne­n durchklick­t, viel zu viele Fotos von Männern. Auch das, finde ich, gehört geändert.

IRMTRAUT KARLSSON (72), einst Vertraute der ersten Frauenmini­sterin, Johanna Dohnal (SPÖ), und Mitbegründ­erin des ersten Frauenhaus­es in Wien, ist studierte Psychologi­n. In den Neunzigern hat sie sich als Abgeordnet­e auch mit ihrem Engagement gegen Anti-Personen-Minen einen Namen gemacht.

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Militärpol­izistinnen im Kosovo: Im Gegensatz zu ihnen sind Panzerfahr­erinnen und Pilotinnen beim Bundesheer bisher „nur die Ausnahme“.
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Foto: Urban Doskozils Beraterin Karlsson.

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