Vom besorgten Humanismus
Grafenegg mit Jost, Beethoven und Performance
Grafenegg – Wer die Fortune hat, in Grafenegg von herbstlichen Wetterlaunen verschont zu bleiben, kommt in den Genuss des Rundumerlebnisses einer mit Natur verschmelzenden Kultur. Das beruhigende Grün der klaren Wiesen etwa bereitet das zum Wolkenturm wandernde Gemüt auf Beethovens finale Symphonie vor.
In der Version der Tonkünstler unter Chefdirigent Yutaka Sado (dessen Vertrag bis 2022 verlängert wurde) und unter schöner Teilnahme von Mitgliedern des European Union Youth Orchestra entfaltete das humanistische Werk auch unter freiem Himmel energischen Charme. Respektabel auch der Beitrag des Wiener Sing- vereins und der Solisten (Klaus Florian Vogt, Camilla Nylund, Elena Zhidkova und der imposante René Pape).
Zum Konzept des Festivals gehören allerdings auch komponierte Neuheiten, die ein Tonsetzer nicht einfach nach Grafenegg schickt. Er hat hier zu verweilen, sich selbst für eine längere Arbeitsphase zu „verwurzeln“– wie heuer Christian Jost. Dass seine Festival-Fanfare etwas verweht klang, wird der unpraktischen Spielposition der Blechbläser (links vom Zuschauerraum) und ihrer zarten Kammermusikgröße geschuldet gewesen sein.
Josts An die Hoffnung für Singstimme und Orchester nach dem gleichnamigen Lied von Beethoven wiederum nutzte einen imposanten Orchesterapparat überzeugend: Es überlagerten einander repetitive Motivgruppen und clusterartige Flächen, und Tenor Klaus Florian Vogt sang darin Beethovens Lied. Wirkte das Lied (Vogt klang auch ein bisschen fragil) seltsam in diesem Kontext, so strahlte das Werk in Summe jederzeit edles Handwerk aus.
Der Abend hatte im Auditorium mit einer Performance (Regisseur Michael Sturminger) begonnen. Durch Heiteres (vermittelt durch Caroline Peters als „Landeshausfrau“) wie melancholisch Todesahnendes (Florian Boesch und Franui) erbrachte die „Feier in Zeiten der Überforderung“nachdenklich einen treffenden Beweis: Die Welt ist zum 10. Geburtstag des Festivals weitaus stärker von allgemeiner existenzieller Besorgnis und dem gleichzeitigen Bedarf an Menschlichkeit geprägt, als dies zur Gründung des Festivals der Fall gewesen war.