Abtauschen statt blockieren
Wer immer sich mit der Wertschöpfungsabgabe beschäftigt, wird bald eines erkennen: Dieses abgabenpolitische Konzept eignet sich nicht für eine polemische Schwarz-Weiß-Debatte. Weder würde ihre Einführung das Sozialsystem retten, wie manche Befürworter suggerieren, noch als „Maschinensteuer“massenhaft Arbeitsplätze vernichten. In einer Zeit, in der die Automatisierung immer mehr Arbeitsplätze gefährdet, ist es grundsätzlich sinnvoll, die Finanzierung der Sozialversicherung nicht auf die Lohnsumme zu beschränken. Doch eine Politik, die auf eine Belastung von Investitionen hinausläuft, schwächt längerfristig den Wirtschaftsstandort.
Ökonomen wie der scheidende Wifo-Chef Karl Aiginger schlagen stattdessen höhere Energieabgaben vor. Das ist allerdings politisch nur schwer durchsetzbar.
Die nun durchgesickerten Pläne von Bundeskanzler Christian Kern nehmen auf die Kritik auf mehrfache Weise Rücksicht: Die von SP-Experten vorgeschlagene Wertschöpfungsabgabe beschränkt sich auf den relativ kleinen Topf des Familienlastenausgleichsfonds (Flaf), wäre aufkommensneutral und würde Industriebetriebe tendenziell entlasten, weil zwar Gewinne, Fremdkapitalzinsen und Mieten betroffen, aber Investitionen ausgenommen wären.
Eine solche Reform wäre eine Art Experiment mit einem überschaubaren Risiko, das in einigen Jahren nützliche Erkenntnisse abliefert. Statt reflexhaft Njet zu sagen, wie es in der Koalition üblich ist, könnte sich die ÖVP ruhig auf diese Debatte einlassen. Sie sollte auf eine Befristung der Maßnahme mit abschließender Evaluierung pochen und sich die Zustimmung vom Koalitionspartner abkaufen lassen – etwa durch ein SP-Ja zu einer Aufweichung der strikten Zehnstundengrenze bei der Arbeitszeit, über die so viele Betriebe klagen. Das wäre auch ein Signal, dass in der Wirtschaftspolitik wieder etwas weitergeht.