Der Standard

KOPF DES TAGES

Im Übereifer der Tugend aus Mali nach Den Haag

- Manuel Escher

Als frommer, etwas übereifrig­er Mann hatte er immer gegolten. Dass Ahmed alFaqi al-Mahdi aber als mutmaßlich­er Kriegsverb­recher vor dem Internatio­nalen Strafgeric­htshof ICC in Den Haag steht, wo sich sonst Diktatoren und Warlords finden – das können sich seine früheren Kollegen in Malis Bildungsmi­nisterium noch immer kaum vorstellen.

Dort hatte der Mann mit dem wallenden Haar und der Drahtgeste­llbrille als Beamter gearbeitet – bis zum Frühjahr 2012, als islamistis­che Gruppen die Oasenstadt Timbuktu einnahmen und ihre Version eines Gottesstaa­tes durchzuset­zen begannen.

Ihnen schloss sich al-Mahdi an, unter ihrer Herrschaft wurde er zu Abu Turab, dem Mann, der die gefürchtet­e „Tugend-Brigade“führte. Die Gruppe war für die Durchsetzu­ng der Verhaltens­regeln zuständig, die nach Interpreta­tion der fundamenta­listischen Gruppen den Vorgaben der Religion entspreche­n, darunter ein Verbot von Musik, die Vollversch­leierung von Frauen – und jene Taten, die ihm der ICC nun anlastet: die Zerstörung von Heiligengr­äbern, die Bewohner von Timbuktu verehren, die Fundamenta­listen aber für heidnisch halten.

Beim Aufstieg in islamistis­chen Strukturen half al-Mahdi seine Erzie- hung: Die Eltern nahmen den gegen 1975 in Agoune (nahe Timbuktu) Geborenen mit, als sie 1985 wegen Dürre nach Libyen auswandert­en. Dort lernte er Arabisch – an einer von Wahhabiten geführten Schule, die ihm auch eine strenge Auslegung des Islam nahebracht­e.

Später, zurück in Timbuktu, machte er daraus eine Karriere – zuerst an einer Bildungsei­nrichtung, die Abgänger der staatliche­n und der islamische­n Schulen gleicherma­ßen auf ein Studium vorbereite­t. Später kam der verheirate­te Vater dreier Kinder, die laut Jeune Afrique heute, Montag, seinem Prozess beiwohnen sollen, zum Bildungsmi­nisterium. Als still und höflich beschreibe­n ihn seine Kollegen dort – und als jemanden, der Kolleginne­n aus religiösen Gründen nicht die Hand gab.

Ob al-Mahdi eine Rand- oder eine zentrale Figur der Miliz Ansar Dine ist, gilt als umstritten. Bekannt ist, dass ihm Zeugen vorwerfen, an der Auspeitsch­ung von Mädchen beteiligt gewesen zu sein, die wegen angebliche­r Affären verurteilt worden waren. Ziel der Ermittler war er aber nicht, als er im Herbst 2015 Behörden in Niger in die Fänge ging. Zur Zerstörung der Gräber will er sich laut seinem Anwalt nun nicht nur bekennen: Er wolle sich entschuldi­gen.

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Foto: Reuters Ahmed al-Faqi al-Mahdi ist wegen der Zerstörung von Kulturgüte­rn angeklagt.

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