Klinikärzte leiden im Job
Studie: 40 Prozent bereuen die Berufswahl
Wien/Innsbruck – Eine noch nicht veröffentlichte Studie der Medizinischen Universität Innsbruck stellt dem Arztberuf ein schlechtes Zeugnis aus. Mehr als die Hälfte der befragten Klinikärzte zeigt Anzeichen mäßiger bis starker emotionaler Erschöpfung. Ein Fünftel weist bereits starke, weitere 44 Prozent mäßige Veränderungen der Persönlichkeit auf.
Die Untersuchung, die dem Standard vorliegt, ergab, dass 40 Prozent der befragten Ärzte sich nicht noch einmal für den Medizinberuf entscheiden würden. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussion um Arbeitszeiten spricht die Autorin, selbst Ärztin, von einer „ernstzunehmenden Gesundheitsgefährdung“durch die Arbeitsbedingungen in den Kliniken. Die durchschnittliche Arbeitszeit der Befragten lag bei 54,2 Wochenstunden. (red)
Innsbruck/Wien – Mediziner sind ziemlich unzufrieden mit ihrem Berufsleben und leiden – vielleicht auch deshalb – häufig an psychischen Erkrankungen. Das zumindest zeigen mehrere Studien, unter anderem eine noch unveröffentlichte Erhebung der Medizinischen Universität Innsbruck, die dem STANDARD vorliegt.
Konkret weisen mehr als die Hälfte der befragten Klinikärzte Zeichen mäßiger bis starker Erschöpfung auf. „Ärzte gehören zu einer Berufsgruppe, bei der die Belastungen durch das Arbeitsumfeld und die Arbeitsbedingungen sehr hoch sind“, erklärt dazu Ilsemarie Kurzthaler, eine der Autorinnen der Studie, für die Interviews mit 69 Medizinern der Tirol Kliniken geführt wurden.
Zu wenig Personal, zu viele Patienten und zu viel Bürokratie würden einen gefährlichen Mix ergeben. Deutlich glücklicher mit ihrer Berufssituation seien Ärzte, die nicht nur am Patienten, sondern auch wissenschaftlich arbeiten. „Das hat sich in der Studie klar als protektiver Faktor erwiesen, weil diese nicht das Gefühl haben, in der Tretmühle gefangen zu sein“, sagt Kurzthaler, Fachärztin für Psychiatrie.
Zahlreiche Mediziner hätten aufgrund der Belastungen bereits ihre Persönlichkeit verändert. Ein Fünftel, so Kurzthaler, weise diesbezüglich deutliche und weitere 44 Prozent mäßige Veränderungen auf. „Das heißt, man wird zynischer, es entsteht Wut. Die einen richten die gegen sich selbst und werden depressiv. Die anderen richten sie nach außen, etwa gegen die Patienten.“In jedem Fall leide die Qualität der ärztlichen Versorgung darunter.
Mehr als ein Drittel der befragten Klinikärzte gab darüber hinaus an, dass sie sich nicht noch einmal für den Arztberuf entscheiden würden. Für die Studienautorin ein Alarmsignal, da ohnehin ein Ärztemangel bestehe. Die Ergebnisse ihrer Untersu- chung würden zeigen, dass die Unzufriedenheit von Klinikärzten eine „ernstzunehmende Gesundheitsgefährdung“darstelle, die „jedem Arbeitgeber zu denken geben sollte“. Die durchschnittliche Arbeitszeit der Befragten betrug 54,2 Wochenstunden.
Selten professionelle Hilfe
Eine Untersuchung der Ärztekammer aus dem Jahr 2011 hatte bereits ergeben, dass sich mehr als die Hälfte der österreichischen Ärzte in unterschiedlichen Phasen des Burnouts befinden. Das Suizidrisiko für Medizinerinnen sei doppelt so hoch wie das der Allgemeinbevölkerung.
Wie es aussieht, handelt es sich dabei aber nicht um ein österreichisches Phänomen: Für eine kürzlich veröffentlichte Studie der Cardiff University wurden annähernd 2000 Ärzte befragt. Das Ergebnis: Sechzig Prozent der britischen Mediziner leiden oder litten an einer psychischen Erkrankung – nur wenige haben sich professionelle Hilfe geholt.