Sarkozy hat Chancen
Er war abgewählt, abgehalftert, vielerorts bereits abgeschrieben. Jetzt steigt Frankreichs Expräsident Nicolas Sarkozy erneut ins Rennen um die Präsidentschaft ein. Seine Aussichten bessern sich.
Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy holt gegenüber seinem parteiinternen Rivalen Alain Juppé auf, sagen Beobachter.
Überraschend ist nur die Methode: Nicolas Sarkozy verkündet seine Bewerbung für das höchste Amt im Staat auf der Rückseite seines am Mittwoch erscheinenden Buches Tout pour la France (Alles für Frankreich). „Ich habe beschlossen, Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2017 zu sein“, führt das frühere Staatsoberhaupt (2007 bis 2012) dort aus. „Frankreich verlangt, dass man ihm alles gibt. Ich habe gespürt, dass ich die Kraft habe, diesen Kampf in einem so bewegten Augenblick unserer Geschichte zu führen“, fügt er in Anspielung auf die Terroranschläge und die Dauerwirtschaftskrise des Landes an.
Was Sarkozy aber vor allem spürt oder zu spüren glaubt, ist ein Stimmungswandel in der französischen Rechtsopposition. Seine frühere Aura hatte gelitten, und im Frühjahr bremste ein neues Strafverfahren wegen Überschreitung der Wahlkampfausgaben seine Pläne. Doch jetzt scheint es, dass die Anklage in den nächsten acht Monaten nicht bereit sein wird – bis zum Wahltermin also.
Zudem verliert Sarkozys härtester Widersacher Alain Juppé (71), der sich zum klaren Favoriten der Républicains gemausert hatte, an Boden. Sarkozy (61) liegt neuerdings nur noch knapp hinter dem politisch gemäßigten Premierminister von 1995 bis 1997.
Und wer die Kandidatur der konservativen Republikaner gewinnt, hat die besten Aussichten, im Mai 2017 in den Elysée-Palast einzuziehen: Die Linke ist zer- splittert und ihr Präsident François Hollande weiterhin sehr unpopulär; und rechts von den Republikanern werden der Populistin Marine Le Pen kaum Chancen eingeräumt, die Stichwahl gegen einen konservativen Frontrunner – wer auch immer das sein wird – zu gewinnen.
Wahlkampf mit fünf Werten
Immerhin kann die Front-National-Chefin in den unsicheren Zeiten mit einer Stammwählerschaft von bis zu 30 Prozent rechnen, weshalb Sarkozy bereits davon ausgeht, in der Finalrunde gegen sie anzutreten. Deshalb nimmt er nun Kurs nach rechts, wobei er frühere Positionen hemmungslos über Bord wirft und demagogische Register zieht. In seinem neuen Buch nennt er als größte Herausforderungen Frankreichs die fünf Prinzipien Wahr- heit, Identität, Wettbewerbsfähigkeit, Autorität und Freiheit.
Diese Begriffe klingen für Franzosen keineswegs abstrakt. Ohne seine Hauptzielscheibe der letzten Wochen – den Islam in all seinen Schattierungen – offen zu nennen, bezeichnet der Expräsident den „Kampf für unsere Lebensart“als oberste Priorität. Damit will er nach eigenen Worten verhindern, dass „Minderheiten mit Erpressungsversuchen gegen die Staatsführung gewinnen“.
Sarkozy legte das Amt des Parteichefs am Montag statutengemäß nieder. Allerdings versucht er die Kontrolle über die ehemals gaullistische Formation zu behalten, indem er seinen Vertrauten Laurent Wauquiez als Interimschef vorschlägt. Dieser hat die Modalitäten der internen Vorwahl festzulegen. Sarkozy will den Teilnehmerkreis auf die einge- schriebenen Parteimitglieder beschränken, da er sich bei ihnen im Vorteil sieht.
Juppé hat zwar die Abhaltung einer „offenen“Vorwahl durchgesetzt, sodass theoretisch auch Mitte-Wähler daran teilnehmen können. Über die Zahl der Urnen und andere Parameter lässt sich die Zahl der Abstimmenden aber massiv beeinflussen; und der Sarkozyst Wauquiez und auch andere Parteibarone wie François Baroin und Christian Estrosi versuchen den Urnengang für Nichtrepublikaner zu erschweren, um den harten Kern der SarkozyWähler doch noch mehrheitsfähig zu machen. Damit ihr umstrittenes Idol, dessen Kandidatur die meisten Franzosen laut Umfragen nicht mehr wollten, doch ins Elysée einziehen kann. Und Sarkozy fünf Jahre später die Revanche gegen François Hollande gelingt.