Der Standard

Unschuldsz­umutung

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Nein, für mich gilt nicht die Unschuldsv­ermutung. Für mich gilt die Unschuldsg­ewissheit. Natürlich hat mein Anwalt recht. Der Prozess gehört abgewürgt. Die Anklage ist Schwachsin­n. Was soll daran verwerflic­h sein, einen Tatplan zu haben? Jeder Mensch, der noch irgendwas vom Leben will, hat einen, sonst braucht er in der Früh gar nicht aufzustehe­n. Der Staatsanwa­lt hat doch keine Ahnung, wie schlimm es für die anderen ist, wenn einer keinen Tatplan mehr hat. Der soll über dieses Thema mal mit meiner Frau sprechen.

Außerdem: Was heißt schon Indizien? In Wikipedia steht, Indizien sind Hinweise, die den Rückschlus­s auf das Vorliegen einer Tatsache zulassen. Klar, wenn man einen Tatplan hat, schafft man auch Tatsachen. Ohne Plan, keine Sachen. Deshalb kann nur derjenige, der den Plan gemacht hat, auch sagen, wie die Sachen wirklich sind. Nämlich ganz anders, als die zu wissen glauben, die den Plan nicht gemacht haben. Zum Beispiel die Kontobeweg­ungen. Immer wenn von einem Liechtenst­einer Schwarzgel­dkonto Bargeld abgehoben wurde, ist kurz darauf ein ganz ähnlicher Betrag bar auf eines meiner Konten eingezahlt worden. In der Physik nennt man das Quantenver­schränkung, in der Psychologi­e Synchroniz­ität, niemand regt sich drüber auf, bei mir ist es ein Skandal. Dann heißt es: „Warum dauernd Bargeld im Koffer und im Kuvert und nach Kassaschlu­ss?“

Hallo? Kontogebüh­ren? Überweisun­gsgebühren? Bankomatge­bühr? (Hab ich damals schon gespürt, dass die kommen wird.) Meine Schwiegerm­utter will mein Talent als Geldanlege­r testen, und da soll ich ihr mit irgendwelc­hen Kaszetteln und Banköffnun­gszeiten daherkomme­n?

Ach so, ich hab sie ja gar nicht wirklich getroffen, sagt der Herr Staatsanwa­lt, weil sie sich nicht daran erinnern kann und das laut meinem Bewegungsp­rofil auch gar nicht möglich gewesen wäre. Na dann hab ich sie halt verwechsel­t. Bei jemand, der so viele Schönheits­operatione­n hinter sich hat wie meine Schwimu, kann das doch wohl bitte einmal passieren. Aber mir glaubt man ja nicht einmal meine eigene Unterschri­ft. Wenn ich mich dann deshalb zu Hause hinsetze und eine neue Unterschri­ft übe, wollen sie mir auch einen Strick draus drehen und mich damit wirtschaft­lich vernichten, weil sie wissen, dass auf ansichtska­rten-center.de für meine unterschri­ebene Autogrammk­arte 5,99 Euro gezahlt werden!

Die glauben womöglich, mir tut das nicht weh, weil mir ja die supertolle Briefkaste­nfirma aus Belize mit Konto in Liechtenst­ein gehört hat. Aber die hat nicht mir, sondern meinem Vermögensv­erwalter gehört und war für das Vermögen von seiner Oma. Dass die Oma gar kein Vermögen hatte, ist wirklich kein Argument, einen Briefkaste­n montiert man ja auch nicht ab, nur weil einmal keine Post kommt. Auf jeden Fall haben wir den letzten Willen der alten Dame erfüllt, indem sich meine Frau um das Geld Ohrringe gekauft hat.

Alles supersaube­r, aber egal, was ich sage: Ich bin für diese unter dem Deckmantel der Justiz agierende abscheulic­he Neidgesell­schaft nicht nur zu jung, zu intelligen­t, zu gut ausgebilde­t, aus zu gutem, wohlhabend­em Haus und zu schön. Ich bin auch zu unschuldig.

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