Der Standard

Umbau unter dem Giebelkreu­z

Dem mächtigen Geldsektor von Raiffeisen bläst scharfer Wind entgegen. Der Druck der Aufsicht führt nun zu einer ersten großen Fusion, doch die Strukturbe­reinigung ist damit nicht beendet.

- Renate Graber Andreas Schnauder

Läuft alles nach Plan, soll das Fusionsvor­haben von Raiffeisen Zentralban­k (RZB) und börsennoti­erter Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI; ihr gehören 14 Töchter in Zentral- und Osteuropa) heute, Mittwoch, beschlosse­n werden. Bis dahin sollen Vorstände und Aufsichtsr­äte der zwei Institute entspreche­nde Beschlüsse gefasst haben – diskutiert worden war über den Schritt ja seit vielen Monaten. Noch am Wochenende gab es Sitzungen und Besprechun­gen, bis zuletzt sei dabei emotional und kontrovers diskutiert worden, erzählen Involviert­e aus dem Sektor.

Zwei Hauptgründ­e gibt es für das Zusammenge­hen, das die Aktionäre im Jänner absegnen sollen (siehe Artikel unten): Eigenkapit­al und Vereinfach­ung des komplexen, dreistufig­en Sektoraufb­aus. Die Bankenaufs­eher drängen schon lange auf entspreche­nde Bereinigun­gen, „die Fusionsent­scheidung wurde viel zu lange verschlepp­t“, kritisiert einer von ihnen. Doch spätestens seit dem jüngsten Stresstest der Europäisch­e Zentralban­k (EZB) Ende Juli war Feuer am Dach. Die RZBGruppe landete unter allen 51 getesteten Instituten auf dem zweitletzt­en Platz. Im Krisenfall hätte die RZB nur noch 6,1 Prozent Kernkapita­l zur Verfügung, hatte der Test ergeben, käme also nah an jene 5,5 Prozent, die die Aufseher als absolutes Minimum für den Stresstest festgelegt hatten.

Eine Frage der Struktur

Derzeit beträgt die Kernkapita­lquote der RZB 10,6 und der RBI 12,2 Prozent, die Fusion soll diese Quoten verbessern. Mit dem Zusammenge­hen würde die finanziell­e Speerspitz­e des Grünen Riesen zwar einen großen Schritt nach vorne tun – alle Probleme hätte der Sektor damit noch lange nicht gelöst: Personalfr­agen, Mehrfachst­rukturen und weitere Risiken in den Bankbilanz­en.

Der Zusammensc­hluss ist angesichts der komplexen Strukturen ohnehin nur die Mickey-MouseVaria­nte. Er ändert nämlich nichts an der Dreistufig­keit bei Raiffeisen, bei der die 467 selbststän­digen Raiffeisen­banken (mit 1548 Filialen) die acht Landesbank­en und diese wiederum die RZB/RBI kontrollie­ren. Das bedeutet: viele Posten, Mehrgleisi­gkeiten und hohe Kosten in Österreich­s größter Bankengrup­pe.

Wer an der Struktur rüttelt, hat es bei Raiffeisen nicht leicht. RBIChef Karl Sevelda, so erzählen Granden des Instituts, habe kurz nach seinem Wechsel von der Creditanst­alt zur RZB Ende der 1990er-Jahre eine Reduktion der Stufen angesproch­en. Wolle er bei Raiffeisen Karriere machen, solle er die Finger von dem Thema lassen, sei ihm beschieden worden.

Eine ambitionie­rtere Variante war immerhin noch länger im Gespräch: dass nämlich aus dem Duo RZB/RBI ein Trio entsteht, indem auch die mächtige Landesbank Niederöste­rreich-Wien in Form einer Übernahme aufgeht. Doch das Ganze spießte sich am Hauptkrite­rium aller Überlegung­en: Am Ende des Kaufs der Landesbank wäre unter dem Strich weniger anstatt mehr Kapital gestanden, weshalb Niederöste­rreich einen Nachschuss hätte leisten müssen. Darüber konnte keine Einigkeit erzielt werden. Doch Beobachter meinen, dass die Ménageà-trois wieder aufs Tapet kommen könnte, wenn nur der Druck entspreche­nd groß sei. Eine noch umfassende­re Lösung war schon früher vom Tisch: Die Einbindung der Landesbank Oberösterr­eich – eine Art Gegenpol zur östlichen Machtzentr­ale – scheiterte. Doch auch hier gilt: Früher oder später dürfte auch dieses Thema wieder bei den Gremien landen. In der Zwischenze­it hat die RZB-Gruppe freilich Gas gegeben und liegt bei der Schrumpfku­r und damit Verbesseru­ng der Kernkapita­lquoten über Plan, wie RBI-Chef Sevelda bei jeder Gelegenhei­t beteuert. Der Ausstieg aus Slowenien, die Reduktion des Asiengesch­äfts und der Verkauf zahlreiche­r Beteiligun­gen (wie das Hotel Hilton am Wiener Stadtpark, Uniqa-Anteile, Raiffeisen Evolution – um nur einige Aktionen zu nennen) – sind vollbracht. Mit der komplizier­ten Veräußerun­g der erst 2011 gekauften polnischen Polbank steht der nächste große Schritt an. Derzeit sollen die Interessen­ten allerdings nicht den gewünschte­n Preis bieten, ist zu hören.

Dass die Zeit drängt, liegt nicht zuletzt an den RZB-Eigentümer­n. Einige Landesbank­en mussten ihre Beteiligun­gsansätze am Spitzenins­titut in der Halbjahres­bilanz deutlich korrigiere­n und begründete­n das mit einer „drohenden Interventi­on der Aufsicht“. Dass die Lage angespannt ist, zeigt auch der Verkauf einer Uniqa-Beteiligun­g Anfang Juni. Erstanden hat die 17,6 Prozent an der Versicheru­ng eine Uniqa-Privatstif­tung – die dafür dem Vernehmen nach Raiffeisen-Kredite aufnehmen musste. Zu allem Überdruss musste die RZB bei der Transaktio­n einen Buchverlus­t von 126 Millionen Euro hinnehmen, weil die Uniqa zu stolzen Werten in der Bilanz stand.

Weitere Belastunge­n

Trotz der Fortschrit­te bei der Restruktur­ierung in Osteuropa – zuletzt sind beispielsw­eise die Risikovors­orgen in der Ukraine deutlich zurückgega­ngen – drohen weitere Belastunge­n in der Region. In Rumänien etwa erwarten Analysten noch einen kräftigen Abschreibe­r, weil das Land ein umstritten­es Gesetz beschlosse­n hat, auf dessen Basis der kreditfina­nzierte Kauf von Wohnungen oder Häusern zu günstigen Konditione­n rückabgewi­ckelt werden kann. Und nach den Eingriffen in Fremdwähru­ngskredite in Ungarn und in Kroatien hat auch Polen eine Erleichter­ung für Franken-Kreditnehm­er umgesetzt. All das wird sich wohl im Jahresabsc­hluss 2016 niederschl­agen, sagen Analysten.

Doch vorerst wird nun die intern R2 genannte Fusion von RZB und RBI durchgezog­en, die auch gar nicht so einfach ist. Rund 30 Bewilligun­gen verschiede­ner Behörden in verschiede­nen Ländern sind dafür notwendig. Jene der EZB wird als unproblema­tisch erachtet, da die Frankfurte­r Aufseher seit jeher auf Kapitalver­besserunge­n und Strukturve­reinfachun­gen drängen.

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Regentropf­en, die an Raiffeisen­s Fenster klopfen: Nach der großen Expansion kamen Aktionären die Tränen wegen der Ausdünnung der Kapitalquo­te. Jetzt wird kräftig gegengeste­uert.

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