Umbau unter dem Giebelkreuz
Dem mächtigen Geldsektor von Raiffeisen bläst scharfer Wind entgegen. Der Druck der Aufsicht führt nun zu einer ersten großen Fusion, doch die Strukturbereinigung ist damit nicht beendet.
Läuft alles nach Plan, soll das Fusionsvorhaben von Raiffeisen Zentralbank (RZB) und börsennotierter Raiffeisen Bank International (RBI; ihr gehören 14 Töchter in Zentral- und Osteuropa) heute, Mittwoch, beschlossen werden. Bis dahin sollen Vorstände und Aufsichtsräte der zwei Institute entsprechende Beschlüsse gefasst haben – diskutiert worden war über den Schritt ja seit vielen Monaten. Noch am Wochenende gab es Sitzungen und Besprechungen, bis zuletzt sei dabei emotional und kontrovers diskutiert worden, erzählen Involvierte aus dem Sektor.
Zwei Hauptgründe gibt es für das Zusammengehen, das die Aktionäre im Jänner absegnen sollen (siehe Artikel unten): Eigenkapital und Vereinfachung des komplexen, dreistufigen Sektoraufbaus. Die Bankenaufseher drängen schon lange auf entsprechende Bereinigungen, „die Fusionsentscheidung wurde viel zu lange verschleppt“, kritisiert einer von ihnen. Doch spätestens seit dem jüngsten Stresstest der Europäische Zentralbank (EZB) Ende Juli war Feuer am Dach. Die RZBGruppe landete unter allen 51 getesteten Instituten auf dem zweitletzten Platz. Im Krisenfall hätte die RZB nur noch 6,1 Prozent Kernkapital zur Verfügung, hatte der Test ergeben, käme also nah an jene 5,5 Prozent, die die Aufseher als absolutes Minimum für den Stresstest festgelegt hatten.
Eine Frage der Struktur
Derzeit beträgt die Kernkapitalquote der RZB 10,6 und der RBI 12,2 Prozent, die Fusion soll diese Quoten verbessern. Mit dem Zusammengehen würde die finanzielle Speerspitze des Grünen Riesen zwar einen großen Schritt nach vorne tun – alle Probleme hätte der Sektor damit noch lange nicht gelöst: Personalfragen, Mehrfachstrukturen und weitere Risiken in den Bankbilanzen.
Der Zusammenschluss ist angesichts der komplexen Strukturen ohnehin nur die Mickey-MouseVariante. Er ändert nämlich nichts an der Dreistufigkeit bei Raiffeisen, bei der die 467 selbstständigen Raiffeisenbanken (mit 1548 Filialen) die acht Landesbanken und diese wiederum die RZB/RBI kontrollieren. Das bedeutet: viele Posten, Mehrgleisigkeiten und hohe Kosten in Österreichs größter Bankengruppe.
Wer an der Struktur rüttelt, hat es bei Raiffeisen nicht leicht. RBIChef Karl Sevelda, so erzählen Granden des Instituts, habe kurz nach seinem Wechsel von der Creditanstalt zur RZB Ende der 1990er-Jahre eine Reduktion der Stufen angesprochen. Wolle er bei Raiffeisen Karriere machen, solle er die Finger von dem Thema lassen, sei ihm beschieden worden.
Eine ambitioniertere Variante war immerhin noch länger im Gespräch: dass nämlich aus dem Duo RZB/RBI ein Trio entsteht, indem auch die mächtige Landesbank Niederösterreich-Wien in Form einer Übernahme aufgeht. Doch das Ganze spießte sich am Hauptkriterium aller Überlegungen: Am Ende des Kaufs der Landesbank wäre unter dem Strich weniger anstatt mehr Kapital gestanden, weshalb Niederösterreich einen Nachschuss hätte leisten müssen. Darüber konnte keine Einigkeit erzielt werden. Doch Beobachter meinen, dass die Ménageà-trois wieder aufs Tapet kommen könnte, wenn nur der Druck entsprechend groß sei. Eine noch umfassendere Lösung war schon früher vom Tisch: Die Einbindung der Landesbank Oberösterreich – eine Art Gegenpol zur östlichen Machtzentrale – scheiterte. Doch auch hier gilt: Früher oder später dürfte auch dieses Thema wieder bei den Gremien landen. In der Zwischenzeit hat die RZB-Gruppe freilich Gas gegeben und liegt bei der Schrumpfkur und damit Verbesserung der Kernkapitalquoten über Plan, wie RBI-Chef Sevelda bei jeder Gelegenheit beteuert. Der Ausstieg aus Slowenien, die Reduktion des Asiengeschäfts und der Verkauf zahlreicher Beteiligungen (wie das Hotel Hilton am Wiener Stadtpark, Uniqa-Anteile, Raiffeisen Evolution – um nur einige Aktionen zu nennen) – sind vollbracht. Mit der komplizierten Veräußerung der erst 2011 gekauften polnischen Polbank steht der nächste große Schritt an. Derzeit sollen die Interessenten allerdings nicht den gewünschten Preis bieten, ist zu hören.
Dass die Zeit drängt, liegt nicht zuletzt an den RZB-Eigentümern. Einige Landesbanken mussten ihre Beteiligungsansätze am Spitzeninstitut in der Halbjahresbilanz deutlich korrigieren und begründeten das mit einer „drohenden Intervention der Aufsicht“. Dass die Lage angespannt ist, zeigt auch der Verkauf einer Uniqa-Beteiligung Anfang Juni. Erstanden hat die 17,6 Prozent an der Versicherung eine Uniqa-Privatstiftung – die dafür dem Vernehmen nach Raiffeisen-Kredite aufnehmen musste. Zu allem Überdruss musste die RZB bei der Transaktion einen Buchverlust von 126 Millionen Euro hinnehmen, weil die Uniqa zu stolzen Werten in der Bilanz stand.
Weitere Belastungen
Trotz der Fortschritte bei der Restrukturierung in Osteuropa – zuletzt sind beispielsweise die Risikovorsorgen in der Ukraine deutlich zurückgegangen – drohen weitere Belastungen in der Region. In Rumänien etwa erwarten Analysten noch einen kräftigen Abschreiber, weil das Land ein umstrittenes Gesetz beschlossen hat, auf dessen Basis der kreditfinanzierte Kauf von Wohnungen oder Häusern zu günstigen Konditionen rückabgewickelt werden kann. Und nach den Eingriffen in Fremdwährungskredite in Ungarn und in Kroatien hat auch Polen eine Erleichterung für Franken-Kreditnehmer umgesetzt. All das wird sich wohl im Jahresabschluss 2016 niederschlagen, sagen Analysten.
Doch vorerst wird nun die intern R2 genannte Fusion von RZB und RBI durchgezogen, die auch gar nicht so einfach ist. Rund 30 Bewilligungen verschiedener Behörden in verschiedenen Ländern sind dafür notwendig. Jene der EZB wird als unproblematisch erachtet, da die Frankfurter Aufseher seit jeher auf Kapitalverbesserungen und Strukturvereinfachungen drängen.