Der Standard

Syrien: USA stellen Kooperatio­n mit Russland infrage

Die Waffenruhe ist beendet, die Spannungen zwischen Moskau und Washington nehmen nach einem Luftangrif­f auf einen Hilfskonvo­i zu. Russland weist die Verantwort­ung von sich, die Uno und der Rote Halbmond stoppen vorerst alle Hilfsliefe­rungen.

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Damaskus/Washington/Moskau – Nach den Luftangrif­fen auf einen Hilfskonvo­i nahe der belagerten syrischen Großstadt Aleppo am späten Montagaben­d hat die USRegierun­g ihre Zusammenar­beit mit Russland in dem Bürgerkrie­gsland offen infrage gestellt. Direkt verantwort­lich gemacht hat die US-Regierung Russland zunächst nicht, bisher hieß es: Das Ziel des Konvois aus Lastwagen der Vereinten Nationen und des Roten Halbmonds sei sowohl der syrischen wie der russischen Regierung bekannt gewesen. Das sagte der Sprecher des US-Außenminis­teriums John Kirby am Dienstag. Die US-Regierung werde die Bombardier­ung mit Moskau direkt thematisie­ren, kündigte Kirby an. „Angesichts der ungeheuerl­ichen Verletzung der Waffenruhe werden wir die weiteren Aussichten einer Zusammenar­beit mit Russland neu bewerten“, fügte er hinzu.

Uno und Roter Halbmond

„Rund 20 Zivilisten und ein Mitarbeite­r des Roten Halbmonds wurden getötet, als sie humanitäre Hilfsgüter von den Lastwagen luden“, erklärte die Internatio­nale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmon­dgesellsch­aften am Dienstag in Genf. Außerdem sei ein „großer Teil der Hilfsgüter zerstört“worden. Auch das Lager des Roten Halbmonds in Orum al-Kubra sei bei dem Angriff getroffen worden. Die Lastwagen gehörten zu einem Konvoi von 31 Fahrzeugen der Uno sowie des Roten Halbmonds, die 78.000 Menschen in der Ortschaft westlich von Aleppo versorgen wollten. Der Rote Halbmond in Syrien wird vom Regime kontrollie­rt.

Ranghohe Vertreter der US-Regierung von Präsident Barack Obama äußerten sich am Dienstag vor Journalist­en skeptisch über die Chancen, die mit Russland ausgehande­lte Waffenruhe für Syrien nach dem Bombardeme­nt noch retten zu können. Die Ereignisse hätten erhebliche Zweifel aufgeworfe­n, ob Russland seinen Teil der Vereinbaru­ng zur Befriedung des Landes einhalten könne. Es sei unklar, ob russische oder syrische Kampfflugz­euge für die Angriffe verantwort­lich seien.

„Kriegsverb­rechen“

Die Uno machte zunächst keine Angaben zu den Urhebern des Angriffs. Der UN-Sondergesa­ndte für Syrien, Staffan de Mistura, zeigte sich schockiert. „Unsere Wut über diesen Angriff ist enorm. Der Konvoi war das Ergebnis eines langen Verhandlun­gsprozesse­s mit dem Ziel, eingeschlo­ssenen Menschen zu helfen“, erklärte eine Sprecherin de Misturas. Sollte sich der Angriff vorsätzlic­h gegen die Helfer gerichtet haben, „dann läuft dies auf ein Kriegsverb­rechen hinaus“, sagte der Chef der UN-Hilfseinsä­tze, Stephen O’Brien.

Das syrische Militär äußerte sich öffentlich zunächst nicht. Die staatliche Nachrichte­nagentur Sana zitierte eine Quelle aus der Armee, die die Berichte über eine syrische Verantwort­ung als Lüge bezeichnet. Das Verteidigu­ngsministe­rium in Moskau dementiert­e, den Angriff auf den Hilfskonvo­i verursacht zu haben: „Weder die russische noch die syrische Armee hat einen Luftangrif­f auf den UN-Konvoi bei Aleppo geflogen“, sagte Generalmaj­or Igor Konaschenk­ow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge.

„Wir haben Videoaufze­ichnungen geprüft und keine Anzeichen festgestel­lt, dass die Wagenkolon­ne von Munition – welcher Art auch immer – getroffen wurde. Zu sehen sind keine Bombentric­hter, die Wagen weisen keine Schäden durch eine Druckwelle auf. Alles, was wir im Video gesehen haben, ist eine direkte Folge eines Brandes“, sagte Konaschenk­ow.

Auch die Regierung in Moskau sieht kaum Chancen für eine rasche Erneuerung der Waffenruhe. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow machte die USA dafür verantwort­lich, dass der gesamte Friedenspr­ozess in Syrien in Gefahr sei.

Damit die Waffenruhe doch noch gerettet werden könne, müssten die Angriffe von Rebellen auf die syrische Armee aufhören, forderte er. „Und natürlich würde es nicht schaden, wenn unsere amerikanis­chen Kollegen nicht versehentl­ich Syrer bombardier­en würden“, sagte Peskow. Der Satz war eine Anspielung auf einen laut Wa- shington irrtümlich­en US-Luftangrif­f auf syrische Regimetrup­pen, bei dem am Wochenende dutzende Soldaten getötet wurden, die gegen den „Islamische­n Staat“im Einsatz waren. Russland und Syrien schenken der US-Behauptung, es habe sich um einen Fehler gehandelt, keinen Glauben. (Reuters, dpa, red)

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Ein zerstörter Lkw des angegriffe­nen Hilfskonvo­is in Orum al-Kubra, westlich von Aleppo.

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