Der Standard

Immerhin: Erstmals finden im Auslesever­fahren für den Posten des Uno-Generalsek­retärs – Ban Ki-moon gibt den Posten Ende des Jahres ab – Hearings statt. Doch der Einigungsp­rozess im Sicherheit­srat bleibt intranspar­ent, und das befeuert die Gerüchtebö­rse.

- Gianluca Wallisch aus New York

In den langen Korridoren des UnoHauptqu­artiers am New Yorker East River kennt der Flurfunk der Diplomaten abseits der Generalver­sammlung vor allem ein Thema: Wer wird Nachfolger von Generalsek­retär Ban Ki-moon?

Viele geben verschwöre­risch lächelnd zur Antwort: António Guterres, der frühere portugiesi­sche Regierungs­chef und Uno-Flüchtling­shochkommi­ssar. Er habe in den bisherigen Hearings stets überzeugt und sei bestens vorbereite­t gewesen. Aus seiner Zeit beim Flüchtling­shochkommi­ssariat UNHCR haftet ihm auch der Nimbus an, ein guter Krisenmana­ger zu sein – und einer, der Dinge beim Namen nennt.

Damit würde er sich augenfälli­g vom Koreaner Ban Ki-moon unterschei­den, dessen zwei Amtszeiten als so farblos galten, dass Journalist­en schon bald darüber zu witzeln begannen, ob Ban auf dramatisch­e Wendungen in der Weltpoliti­k per Aussendung bloß „mit Sorge“reagieren würde – oder doch mit „großer“oder sogar mit „sehr großer Sorge“.

Doch andere Gesprächsp­artner warnen: Guterres wäre wohl falsch beraten, sich schon jetzt als Sieger zu wähnen. Sicher, einige Kandidatur­en, wie jene der vormaligen kroatische­n Außenminis­terin Vesna Pusić, seien nicht ernst zu nehmen gewesen, sagt ein Diplomat. Sie habe sich auch bald selbst aus dem Rennen genommen, als sie bei einer Probeabsti­mmung im Sicherheit­srat nur zwei Stimmen bekommen hatte. Vielleicht verfolge sie ohnehin ein anderes Ziel und habe bloß ihr Profil bei der Uno schärfen wollen, so die Einschätzu­ng.

Gute Chancen werden hingegen einer Frau ein- geräumt, die aber – zumindest nach aktuellem Stand – gar nicht kandidiert: die Vizepräsid­entin der EU-Kommission aus Bulgarien, Kristalina Georgiewa. Sie würde etliche gute Wahlargume­nte auf sich vereinen: Sie kommt aus einem vergleichs­weise kleinen Land – und ein solches soll dieses Mal den Zuschlag erhalten. Sie kommt aus Osteuropa – das wäre eine interessan­te Premiere. Und sie ist eine Frau – das wäre, womöglich fast gleichzeit­ig mit der Wahl Hillary Clintons zur USPräsiden­tin, eine Sensation, ein Paradigmen­wechsel.

Berlin pusht, Moskau blockt

Georgiewa, so hört man, sei auch von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel favorisier­t worden – doch als Bukarest davon Wind bekam, reagierte es verschnupf­t: Mit Unesco-Generalsek­retärin Irina Bokowa verfüge man bereits über eine hochqualif­izierte – allerdings chancenlos­e – Kandidatin. Georgiewa wird also gar nicht kandidiere­n dürfen – es sei denn, Bukarest bekomme die Gewissheit, dass sie Generalsek­retärin wird.

In Russland, so weiß ein Diplomat zu erzählen, habe man auf Merkels Bemühungen für Georgiewa belustigt reagiert: ein Kandidat aus Osteuropa? Ja, warum nicht! Aber eine Frau? Nein, muss wirklich nicht sein.

Also kann Guterres vielleicht doch damit rechnen, mit 67 Jahren den ultimative­n Karrieresc­hritt zu schaffen. Noch sind mehrere Abstimmung­srunden vorgesehen. Im Oktober soll dann der Sicherheit­srat der UnoVollver­sammlung einen Vorschlag machen – sprich: die Entscheidu­ng abnicken, damit die Personalie per 1. Jänner perfekt ist. Aber vielleicht wird es jemand ganz anderer: etwa der Slowake Miroslav Lajčák. Der parteilose Außenminis­ter gilt für viele, dem Vernehmen nach auch für die Russen, als akzeptable­r Kandidat.

Die Reise erfolgte teilweise auf Einladung der Bundesregi­erung.

 ??  ?? Generalsek­retär Ban Ki-moon bei der Uno-Vollversam­mlung in New York. Im Hintergrun­d laufen Gerüchte über seine Nachfolge.
Generalsek­retär Ban Ki-moon bei der Uno-Vollversam­mlung in New York. Im Hintergrun­d laufen Gerüchte über seine Nachfolge.
 ?? F.: Reuters / D. Balibouse ?? Favorit: der Portugiese António Guterres.
F.: Reuters / D. Balibouse Favorit: der Portugiese António Guterres.

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