Der Standard

Berlin wartet auf Offenbarun­g von Merkel und Gabriel

Angela Merkel will jetzt ihre Politik besser und mit Gefühl erklären, ihr Vize Sigmar Gabriel ist durch das Ceta-Votum der SPD gestärkt. Aber beide schweigen hartnäckig auf die Frage, ob sie 2017 in die Bundestags­wahl ziehen. Berlin tuschelt und rätselt.

- Birgit Baumann aus Berlin

Irgendjema­nd muss ja mal den Anfang machen. Am Dienstag tat es Gerda Hasselfeld­t, die Chefin der CSU-Landesgrup­pe im Deutschen Bundestag, und riet der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), jetzt doch endlich mal die Katze aus dem Sack zu lassen und klarzustel­len, ob sie 2017 wieder als Kanzlerkan­didatin zur Verfügung steht.

„Natürlich würde es so manche Diskussion erleichter­n, wenn diese Entscheidu­ng nicht auf den Sankt Nimmerlein­stag oder noch viele Monate verschoben würde“, sagte Hasselfeld­t, die mit Merkel gut kann und des Öfteren zwischen ihr und CSU-Chef Horst Seehofer vermitteln musste.

Hasselfeld­t machte auch gleich deutlich, dass sie nichts gegen eine vierte Amtszeit Merkels hätte: „Elf Jahre erfolgreic­he Bundesregi­erung unter ihrer Führung, das sollten wir nicht leichtfert­ig aufs Spiel setzen.“

Am Tag zuvor, nach einer Serie von Niederlage­n bei deutschen Landtagswa­hlen, hatte Merkel plötzlich neue Töne angeschlag­en und erklärt, sie habe in der Flüchtling­spolitik Fehler gemacht und wolle überhaupt jetzt alles besser und mit mehr Gefühl erklären, zudem dafür kämpfen, dass nie mehr so viele Flüchtling­e wie 2015 nach Deutschlan­d kämen.

Nur die, natürlich auch bei dieser Gelegenhei­t wieder einmal gestellte Frage, ob sie nach 2005, 2009 und 2013 auch im kommenden Jahr als Kanzlerkan­didatin in die Wahlschlac­ht ziehe, beantworte­te sie erneut nicht. Dies sei jetzt nicht der Zeitpunkt.

Doch die menschelnd­e Merkel kommt vielen in Deutschlan­d so neu vor, dass die Spekulatio­nen blühen. Einen eindeutige­n Trend allerdings gibt es nicht, vielmehr zwei Denkrichtu­ngen. Der Politologe Karl-Rudolf Korte etwa erklärt, Merkels Rede deute eher auf ihren Abgang hin. Sie habe begonnen, ihr Vermächtni­s darzulegen.

Lob von der CSU

Sie wolle jetzt noch eine Lösung im Dauerstrei­t mit der CSU über die Asylpoliti­k finden und gleichzeit­ig jemanden in der eigenen Partei auf die Nachfolge vorbereite­n – so lautet auch ein Gerücht in der deutschen Hauptstadt.

Andere sehen es genau umgekehrt: Ihre Erklärung sei so kämpferisc­h gewesen, das deute darauf hin, dass sie noch einmal antreten wolle, zumal es sogar aus der CSU Lob für den Auftritt vom Montag gegeben hatte. „Ein Kurswechse­l kündigt sich an. Die Aussagen der Kanzlerin sind schon beachtlich. Das ist ein richtiger Ansatz“, erklärte Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder (CSU) ohne auf einen Zusatz zu vergessen: „Aber natürlich müssen den Worten Taten folgen.“Denn die von Merkel erneut abgelehnte CSU-Forderung nach einer Obergrenze für den Flüchtling­szuzug sei nicht verhandelb­ar.

Schweigen nach Ceta-Erfolg

Auch der sonst so redselige SPD-Chef Sigmar Gabriel ist beim Thema Kanzlerkan­didatur äußerst schweigsam. Eigentlich steht nach Ansicht vieler Genossen seinem Antreten nichts mehr im Wege. Er hat es geschafft, der zunächst recht unwilligen SPD auf einem Parteikonv­ent die Zustimmung zum umstritten­en Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Kanada, Ceta, abzuringen. Dies galt als Hürde. Bei der Bundestags­wahl 2013 hat er dem ehemaligen Finanzmini­ster Peer Steinbrück (SPD) den Vortritt gelassen. Diesmal müsse er aber wirklich selber ran, meinen viele in der SPD – zumal sich auch kein anderer aufdrängt oder anbietet.

Nach der Abstimmung pries EU-Parlaments­präsident Martin Schulz Gabriel nahezu euphorisch: „Ich habe einen Vorsitzend­en erlebt, der den Parteikonv­ent gerockt hat.“Gabriel habe „nicht nur Führungsan­spruch, sondern auch Führungsfä­higkeit bewiesen“, so Schulz. Gabriel selbst blieb, als er auf die SPD-Kanzlerkan­didatur angesproch­en wurde, hingegen zugeknöpft und sagte nur eines: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“

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Volk und Partei warten auf eine Erklärung. Doch sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch SPD-Chef Sigmar Gabriel zieren sich.

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