Der Standard

EU-Fragenkata­log für Bosnien

Putin und Dodik wollen über Referendum reden

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Es wäre nicht Bosnien-Herzegowin­a, wenn nicht alles sehr langsam vorankomme­n würde. Mehr als ein Jahr nach dem Inkrafttre­ten des EU-Abkommens haben am Dienstag die EU-Außenminis­ter das bosnische Beitrittsg­esuch zur Überprüfun­g angenommen. Eine Bedingung dafür war, dass im Sommer ein Zusatzprot­okoll des EU-Abkommens unterzeich­net werden musste, welches die neuen Handelsbez­iehungen seit der EU-Mitgliedsc­haft Kroatiens im Jahr 2013 miteinbezo­g.

Bosnien-Herzegowin­a hatte das Abkommen selbst bereits 2008 (sic!) unterschri­eben. Eine zweite Bedingung der EU für das Beitrittsg­esuch war, dass im komplexen System von Bosnien-Herzegowin­a mit zwei Landesteil­en und zehn Kantonen ein Koordinier­ungsmechan­ismus für die EUGespräch­e aufgebaut wird.

In den vergangene­n Wochen wurden in den Ministerie­n Beamte ernannt, die solche Komitees bilden. In einigen Wochen – wahrschein­lich Anfang November, wenn die Fortschrit­tsberichte der Kommission veröffentl­icht werden – soll Bosnien-Herzegowin­a einen Fragenkata­log von der EUKommissi­on bekommen. Die Beantwortu­ng dieses Katalogs ist eine Voraussetz­ung für die Vergabe des Kandidaten­status. Danach können die Beitrittsv­erhandlung­en beginnen – doch bis dahin wird es noch Jahre dauern.

Die EU-Außenminis­ter lobten in ihrem Statement am Dienstag auch „den bedeutsame­n Fortschrit­t“bei der Umsetzung der Reformagen­da, was bei Kennern des Landes Irritation auslöste. Denn tatsächlic­h wurden zwar einige Gesetze geändert, doch von tiefen strukturel­len Reformen kann nicht die Rede sein.

„Der schrittwei­se Prozess der Annäherung ist entkoppelt von dem Erfahrungs­wert vor Ort. In zehn Jahren Verhandlun­gen sind wir gerade bis zum Fragenkata­log gekommen“, kritisiert Tobias Flessenkem­per vom Europa-Institut CIFE die „Ratslyrik“. „Der EU bleibt nur die Möglichkei­t, jegliche Fortschrit­te – und seien sie noch so formelhaft – als Erfüllung ihrer Konditiona­lität mit einem weiteren Integratio­nsschritt zu belohnen“, so der Politologe.

Ablenken vom Referendum

Immerhin kann man mit der Erklärung der EU-Außenminis­ter ein wenig vom Referendum in der Republika Srpska (RS) am Sonntag ablenken. Es geht dabei um den 9. Jänner, an dem jedes Jahr der Tag der RS gefeiert wird. Das Verfassung­sgericht hatte die RS dazu aufgeforde­rt, den Tag als Feiertag aufzugeben, weil er diskrimini­erend für Nichtserbe­n sei. Nun wird das Referendum für die Beibehaltu­ng dieses Tags zu Wahlkampfz­wecken genutzt. Am 2. Oktober finden Lokalwahle­n statt.

In der EU versucht man die Causa zu ignorieren und wie das Referendum 2015 in Griechenla­nd gegen die Sparmaßnah­men, als reine Polit-Show zu behandeln. Das Referendum wird allerdings von Russland unterstütz­t. Am Donnerstag wollen der sezessioni­stische Präsident der RS Milorad Dodik und der russische Präsident Vladimir Putin die Causa besprechen.

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