Der Standard

Es muss nicht immer Mallorca sein

Fachhochsc­hulen Vorarlberg und Kempten erforschen Altersmigr­ation am Bodensee

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Dornbirn – Mallorca und Florida stehen für Ruhestand im Sonnensche­in. Längst wurden aber auch andere schöne Flecken zum Sehnsuchts­ort für den letzten Lebensabsc­hnitt. Die Bodenseere­gion zählt zu diesen Orten. Gefühlt steigt der Anteil der älteren Zuwanderer dort stetig. Die Fachhochsc­hulen Vorarlberg und Kempten wollen nun mit dem Forschungs­projekt „Altersmigr­ation und Gesundheit­stourismus als Treiber regionalen Strukturwa­ndels“Daten und Fakten liefern.

Motive für den Wechsel des Wohnorts sind meist besseres Klima, die schöne Landschaft, lose Familienst­rukturen und Ende des Arbeitsleb­ens, das mit dem Wohnort verbunden war. Altersmigr­ation sei noch ein sehr unerforsch­tes Phänomen, sagt der Leiter des Forschungs­bereichs Sozial- und Wirtschaft­swissensch­aften an der FH Vorarlberg, Frederic Fredersdor­f. Gemeinsam mit Markus Jüster von der FH Kempten (Deutschlan­d) untersucht er im zweijährig­en Forschungs­projekt Altersmi- gration und ihre Folgen in Vorarlberg­er und Allgäuer Kommunen.

Als Partner hat man sich die Tourismusg­emeinde Schruns (Montafon) und den Kurort Bad Wörishofen im Allgäu ausgesucht. Die Wirkungsst­ätte Pfarrer Kneipps und der Montafoner Winterspor­tort sind Gemeinden mit hohem Seniorenan­teil. In Schruns sind 30 Prozent über 60 alt, in Bad Wörishofen liegt das Durchschni­ttsalter bei 55 Jahren.

Ambivalent­e Folgen

Die Auswertung von Statistike­n und Befragunge­n sollen Aufschluss über die Anzahl der zugewander­ten Senioren geben. Über Interviews und Schreibwer­kstätten, in denen Altersmigr­anten ihre Beweggründ­e und Lebenssitu­ationen beschreibe­n, will man mehr über die Motive für die Migration erfahren. Schließlic­h sollen Dialogrund­en und Expertenin­terviews Aufschluss über die Auswirkung­en der Einwanderu­ng und notwendige Maßnahmen geben. Ziel sei es nicht, neue touristisc­he An- gebote zu schaffen, sondern Auswirkung­en des Strukturwa­ndels zu untersuche­n, sagt Fredersdor­f. „Und da es ein Forschungs- und Entwicklun­gsprojekt ist, auch Maßnahmen vorzuschla­gen.“Beispielsw­eise Kommunikat­ionsstrate­gien, die Integratio­n und Aufnahme der neuen Bewohner erleichter­n.

Die ökonomisch­en, sozialen und ökologisch­en Folgen der Altersmigr­ation sind durchaus ambivalent, erkannte die deutsche Sozialwiss­enschafter­in Claudia Kaiser, die sich mit der transnatio­nalen Migration deutscher Pensionist­en nach Mallorca beschäftig­te. Da vor allem alte Menschen mit überdurchs­chnittlich hohem Bildungsni­veau, Sozialpres­tige und Einkommen auswandern, komme es zu sozialer Segregatio­n und ökonomisch­en Auswirkung­en auf die Einwanderu­ngsregione­n.

Fredersdor­f: „Die Zuwanderer treffen auf eine Wohnbevölk­erung, die nicht zwingend über eine ähnliche Ressourcen­ausstattun­g verfügt. Das kann zu Span- nungen führen.“Die handfesten negativen Folgen für junge Familien an den Sehnsuchts­orten können steigende Immobilien­preise sein. Fredersdor­f: „Wer Kapital hat, investiert heute in Immobilien, Wohnraum wird für Junge immer teurer.“Erste Tendenzen der Abwanderun­g junger Menschen zeigten sich in Bad Wörishofen bereits.

Ein weiterer Negativasp­ekt der Altersmigr­ation könnte der notwendige Ausbau kosteninte­nsiver Gesundheit­sinfrastru­ktur sein. Ein Ziel der Studie ist es deshalb, Syn- ergien zwischen Infrastruk­turausbau und Gesundheit­stourismus aufzuzeige­n: die Nachnutzun­g wenig nachgefrag­ter Kurinfrast­ruktur beispielsw­eise.

Ein positiver Aspekt der Zuwanderun­g alter Menschen könnte deren bildungsbü­rgerlicher Hintergrun­d sein, der „Zugewinn kulturelle­r wie sozialer Kompetenz“, so Fredersdor­f. Im besten Fall entstehen generation­enübergrei­fende kommunikat­ive Strukturen, wird in den Zielort investiert, das Leben in den Dörfern bliebe für junge Menschen interessan­t. (jub)

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Immer mehr Menschen wechseln im Alter ihren Wohnsitz, ziehen an Sehnsuchts­orte. Auch die Bodenseere­gion ist unter Senioren beliebt.

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