Der Standard

Wenn Kakadus wie Kinder spielen

Obwohl sie in der Natur keine Werkzeuge verwenden, zeigen sich Goffini-Kakadus im Verhaltens­experiment technisch äußerst versiert. Wiener Biologen erforschen die technische­n Fertigkeit­en der Kakadus.

- Susanne Strnadl

Wien – Von Papageien weiß man seit langem, dass sie zu erstaunlic­hen kognitiven Leistungen fähig sind. So ging etwa der 2007 verstorben­e Graupapage­i Alex in die Geschichte ein, weil er in zwanzig Jahren Training einen aktiven Wortschatz von 200 und einen passiven von 500 Wörtern erwarb. An der Universitä­t Wien befassen sich Forscher seit Jahren mit einer anderen Papageiena­rt: Goffini-Kakadus. Diese sprechen zwar nicht, beeindruck­en dafür aber mit ihren technische­n Fertigkeit­en.

Die 30 Zentimeter großen, weißen Kakadus kommen wild nur auf einer Inselgrupp­e in Indonesien vor. Sie leben dort in Gruppen und ernähren sich von Samen, Früchten, Wurzeln und Insekten. Soweit man bisher weiß, verwenden sie in freier Natur kein Werkzeug – wohl aber im Versuchsla­bor. Wie innovativ sie dabei sind, untersucht­e Verhaltens­forscherin Alice Auersperg zuerst am Department für Kognitions­biologie der Universitä­t Wien und derzeit im Rahmen eines Projektes am Messerli-Institut der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien, das vom Wissenscha­ftsfonds FWF gefördert wird.

Insgesamt 15 Goffini-Kakadus stellen derzeit Auerspergs Versuchstr­uppe, die in den vergange- nen Jahren schon jede Menge Befunde für ihre geistige Flexibilit­ät geliefert hat. So sind sie begabte „Safe-Knacker“: In einer Studie schafften es untrainier­te Goffinis, eine Nuss aus einer Box zu holen, die mit fünf verschiede­nen Verschluss­mechanisme­n versperrt war. Dabei war die Anordnung so gewählt, dass jedes Schloss erst geöffnet werden konnte, wenn das vorherige überwunden war, und für jedes waren verschiede­ne Bewegungen nötig: Die Vögel mussten zuerst einen Stift herauszieh­en, dann eine Schraube aufdrehen, einen Bolzen entfernen, ein Rad ausrichten und zuletzt einen kannuss frei zugänglich war, holten sich die Kakadus die Nuss aus dem Apparat – im umgekehrte­n Fall jedoch fraßen sie die Cashew und ließen Apparat samt Pekannuss links liegen.

Im Unterschie­d zu Neukaledon­ischen Krähen, die für ihren Werkzeugge­brauch berühmt sind, sind Goffini-Kakadus keine angeborene­n Werkzeugbe­nutzer. In freier Wildbahn bauen sie nicht einmal Nester. Sie sind allerdings neugierig und können sich mit interessan­ten Objekten sehr lange beschäftig­en. Das kommt ihnen bei der Nahrungssu­che in ihrem natürliche­n Habitat zugute, denn so kommen sie auch an Früchte, deren Schalen sehr schwer zu öffnen sind. Mancherort­s graben sie auch nach essbaren Wurzeln. „Sie sind sehr ausgeprägt­e Generalist­en“, sagt Auersperg, „und als solche scheinen sie eine generelle Intelligen­z in puncto Technik zu haben – wie ein offenes Programm.“

Innovation­sfreudige Tiere

Wie offen dieses Programm ist, demonstrie­rte der Kakadu Figaro, als er – völlig selbststän­dig außerhalb eines Versuches – eine Nuss aus einem Drahtkäfig holen wollte. Mit einem Stäbchen hätte er das gekonnt, allerdings war keines zur Hand. Daraufhin biss Figaro einen länglichen Splitter aus einem Holzbalken und holte sich damit das Objekt seiner Begierde. Solch innovative­s Verhalten ist im Tierreich extrem selten, deshalb will Auersperg die Innovation­sfähigkeit der Goffinis im laufenden FWF-Projekt systematis­ch testen.

Dabei soll unter anderem das erste Mal untersucht werden, ob sie das können, womit die Neukaledon­ische Krähe Betty Forschungs­geschichte schrieb: Sie bog aus eigenem Antrieb einen Draht zu einem Haken, um an ein Leckerli zu kommen. Die Goffinis bekommen stattdesse­n Pfeifenput­zer, mit denen sie eine Nuss in einem Kübelchen aus einer senkrechte­n Röhre angeln oder aus einer waagrechte­n schieben sollen: In einem Fall müssen sie den geraden Pfeifenput­zer zu einem Haken biegen, im anderen einen gebogenen gerade richten. Man darf gespannt sein, was ihnen dazu einfällt.

 ??  ?? Goffini-Kakadus sehen nicht nur verspielt aus, sie sind es auch: Im Setting eines für sie geschaffen­en Spielplatz­es zeigt sich, dass sie Spielsache­n ähnlich wie Menschenki­nder verwenden – etwa verstopfen sie Spalten mit kleinen Gegenständ­en.
Goffini-Kakadus sehen nicht nur verspielt aus, sie sind es auch: Im Setting eines für sie geschaffen­en Spielplatz­es zeigt sich, dass sie Spielsache­n ähnlich wie Menschenki­nder verwenden – etwa verstopfen sie Spalten mit kleinen Gegenständ­en.

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