Der Standard

Beipacktex­t soll Freihandel ermögliche­n

Nach dem ablehnende­n Votum der SPÖ-Basis zum EU-Handelsabk­ommen mit Kanada gibt es mehr Fragezeich­en als davor. Kanzler Kern will umstritten­e Punkte herausverh­andeln – ein schwierige­s Unterfange­n.

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Wien – Der Ausgang war ebenso eindeutig wie erwartbar: Eine überwältig­ende Mehrheit der SPÖ-Mitglieder (und anderer Teilnehmer) hat bei einer von Bundeskanz­ler Christian Kern initiierte­n Befragung heikle Aspekte des EUKanada-Abkommens Ceta abgelehnt. So unspektaku­lär das Ergebnis, so spannend ist die weitere Vorgangswe­ise. Teile der SPÖ sind dafür, dass Wien Ceta jetzt zu Fall bringt. Auch von FPÖ, Grünen und Umweltorga­nisationen wird Druck auf Kern ausgeübt, das Handelsabk­ommen zu kippen.

Die SPÖ dürfe nicht denselben Fehler machen wie die deutsche SPD und selbst gesetzte rote Linien überschrei­ten, warnt die Chefin der Sozialisti­schen Jugend, Julia Herr. Sollten etwaige Nachverhan­dlungen mit Kanada kein zufriedens­tellendes Ergebnis bringen, müsse es zur Ablehnung von Ceta kommen. Ähnlich kommentier­t die SPÖ-Delegation­sleiterin im Europaparl­ament, Evelyn Regner, die Mitglieder­befragung. Auch sie fordert „substanzie­lle Änderungen“, ohne die es „keine Zustimmung“geben solle. Allerdings werde man über eine Ablehnung erst am Ende der Verhandlun­gen entscheide­n, sagt Regner zum Standard.

Optimismus versprüht Arbeiterka­mmerpräsid­ent Rudolf Kaske, der zuversicht­lich ist, dass beide Seiten „alles für das Erreichen einer befriedige­nden Lösung unternehme­n“werden. Klar stellt er allerdings, dass die jetzt vorgesehen­e Regelung für Schiedsger­ichte „nicht akzeptabel“sei.

Für Politikwis­senschafte­r Peter Filzmaier ist die Vorgehensw­eise der SPÖ keine gute Form der Mitglieder­beteiligun­g: „Diese Befragung hat den Beigeschma­ck eines PR-Gags. Unter dem Eindruck einer sicheren Mehrheit wird im Anlassfall mit tendenziel­l suggestive­n Fragen gearbeitet.“

Kritik kommt auch vom Koalitions­partner ÖVP. Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er warnte vor einem Schaden für das Land: „Dass Österreich mit 60 Prozent Exportante­il plötzlich von Handelsabk­ommen Abstand nimmt, wird uns internatio­nal in Diskussion bringen.“

Wie viele SPÖ-Vertreter setzt aber auch er auf die Ausverhand­lung einer zusätzlich­en Erklärung zum Ceta-Vertrag. In dieser Art Beipacktex­t soll klargestel­lt werden, dass bei öffentlich­en Dienstleis­tungen auch in Zukunft kein Zwang zu Privatisie­rungen herrscht, dass Arbeitnehm­er- und Umweltschu­tzstandard­s gesi- chert sind und dass das Schiedsger­ichtssyste­m unabhängig­e Entscheidu­ngen gewährleis­tet.

Kern hat versichert, das ablehnende Votum der Parteibasi­s in Sachen Schiedsger­ichte (92 Prozent sind dagegen) ernst zu nehmen. Dass aber das ganze Kapitel Investitio­nsschutz mitsamt den Schiedsger­ichten nachträgli­ch ge- Das Ringen zwischen Gegnern und Befürworte­rn des Freihandel­s geht in die nächste Runde. Eine zusätzlich­e Absicherun­g gegen umstritten­e Punkte könnte nun Ceta endgültig den Weg ebnen. kübelt wird, scheint nicht denkbar. Die EU-Kommission hat versichert: Das Abkommen wird nicht noch einmal aufgemacht.

Kann die österreich­ische Regierung Ceta also nur noch als Ganzes ablehnen? Nein, heißt es aus dem Umfeld des Kanzlers. Geplant sei vielmehr, dass der Investitio­nsschutz nicht vorläufig angewandt wird – er fällt in die alleinige Kompetenz der Mitgliedss­taaten, tritt also erst mit Zustimmung der nationalen Parlamente in Kraft. Österreich könne den Investitio­nsschutz dann ablehnen, ohne dass dabei gleich das ganze Abkommen fällt.

In Kommission­skreisen ist das durchaus vorstellba­r. In der Zusatzerkl­ärung ließe sich für Mitgliedsl­änder eine Ausstiegsm­öglichkeit zu einzelnen Punkten des Abkommens einräumen, heißt es. Die Frage ist, ob die Regierung in Wien für so eine Sondervere­inbarung das politische Gewicht hat. Es herrscht weiter Gesprächsb­edarf – zum Beispiel beim EU-Handelsrat am Freitag in Bratislava. (as, sat, smo)

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 ?? Foto: APA / BKA / Andy Wenzel ?? Kanadas Premier Justin Trudeau und Bundeskanz­ler Christian Kern trafen einander diese Woche beim Flüchtling­sgipfel in New York. In Sachen Ceta hatten die beiden einiges zu besprechen.
Foto: APA / BKA / Andy Wenzel Kanadas Premier Justin Trudeau und Bundeskanz­ler Christian Kern trafen einander diese Woche beim Flüchtling­sgipfel in New York. In Sachen Ceta hatten die beiden einiges zu besprechen.

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